Deutsche Auslandsgemeinden als Treffs auch bei Jüngeren gefragt

Gottesdienst für "Global Players" - Nicht nur nach dem Tsunami

Von Renate Kortheuer-Schüring (epd)

Washington (epd). Pfarrer haben es manchmal leichter, zumindest in den USA. Martin Mencke, deutscher evangelischer Auslandspfarrer in Washington, bekam die Greencard in weniger als vier Monaten. Freunde und Gemeindemitglieder waren "baff, wie schnell das geht", sagt Mencke. Seine Arbeitserlaubnis für die nächsten fünf Jahre ist gesichert. Der 39-Jährige ist als einer von rund 150 Pfarrern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Ausland im Einsatz.

Für Menckes Chef, EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe, ist die Arbeit der Auslandsgemeinden heute intensiver und wichtiger denn je. Vorbei die Zeit, als Kirchenleiter dachten, auf Grund der Fremdsprachenkenntnisse würden Gemeinden des eigenen Kulturkreises bald entbehrlich. "Das war ein Irrtum", sagt Koppe. Gerade jüngere Leute legten Wert auf Treffen unter Landsleuten. Von der Deutschen Bischofskonferenz ist ähnliches zu hören: Die Seelsorge für Katholiken im Ausland gewinne in Zeiten der Globalisierung immer stärker an Bedeutung.

Rund 40.000 Deutsche werden jährlich von ihren Firmen ins Ausland geschickt. Um die Evangelischen unter ihnen zu erreichen, schrieb die EKD Ende Oktober international tätige Unternehmen an. "Ein bisschen bieder" findet zwar Pfarrer Mencke die Werbekampagne mit dem Motto "Ein Stück Zuhause finden", doch im Ansatz richtig. Nach seiner Erfahrung wird der Pastor in der Fremde häufiger gebraucht als daheim, und zwar auch von Menschen, die der Kirche sonst fern stehen.

Zur Washingtoner evangelischen Gemeinde gehören rund 250 Mitglieder. Die Zahl der Taufen und Trauungen oder der Konfirmanden, die er unterrichte, entspreche aber einer "normalen 2.500-Seelen-Gemeinde", betont Mencke. Viele fühlen sich zur Kirche gehörig und nehmen den Pfarrer in Anspruch, ohne Mitglied zu sein.

Im Ausland gehören die Deutschen nicht länger ihrer heimatlichen Kirche an. Sie müssen der als Verein organisierten Kirchengemeinde beitreten und hier einen Obulus zahlen. Das tun die wenigsten. Mencke will sich als Seelsorger aber nicht entziehen: "Die Leute wollen eine intensive Betreuung. Wenn einer Krebs hat oder die Ehe kriselt, dann kommt man zum Pfarrer oder zur Gemeinde. Die ist stützend."

Soziales Engagement wird groß geschrieben. So arbeiten rund 30 deutsche Frauen ehrenamtlich in der Kleiderkammer der Community Family Life Services, einer Art Diakoniestation der amerikanischen Partnerkirche. Das Wichtigste ist aber laut Mencke für seine vorwiegend bürgerlich-akademische Klientel der Gottesdienst und eine "fette Predigt" in der gastgebenden Pilgrim Lutheran Church, einem schlichten Klinkerbau an der Massachusetts Avenue.

Seit 1571 gibt es solche Auslandsgemeinden. Heute gibt es weltweit rund 140 evangelische deutschsprachige Gemeinden, von Peking über Abu Dhabi bis Windhuk. Bei den Katholiken sind es etwa 180.

Auch in Tourismus-Hochburgen wie Mallorca - für viele Deutsche inzwischen auch Altersitz - haben beide Kirchen deutschsprachige Seelsorger. Nur wenige dürften allerdings in diesem Job eine solche Extremsituation erlebt haben wie Burkhard Bartel, evangelischer Pastor in Thailand, der beim Tsunami 2004 Opfern, Angehörigen und Helfern am verwüsteten Strand von Khao Lak Beistand leistete.

Im Alltag der meisten EKD-Gemeinden rund um den Globus geht es eher um ein wenig Heimatgefühl. "Ein Kreis von Global Players trifft sich hier im deutschem Rahmen", sagt Martin Mencke über seine Gemeinde, zu der Angestellte von Botschaft, Weltbank und Weltwährungsfonds, Journalisten und Mitarbeiter der Deutschen Schule gehören. Sie sei ein "Hafen" für die viel beschäftigten Landsleute.

Dafür zahlen sie kräftig. Die "Diplomatengemeinde" ist eine der finanziell unabhängigsten Auslandsgemeinden. Die EKD zahlt laut Mencke einen Zuschuss von rund zehn Prozent, den Rest für Haus und Gehalt des Pastors bringen die Mitglieder auf. Insgesamt kosten die Auslandsgemeinden die EKD derzeit 3,54 Millionen Euro an Zuschüssen.
Hinzu kommen rund 4,39 Millionen Euro Sozialleistungen für Pfarrer.

Eine der kostenträchtigsten, aber auch politisch wichtigsten Auslandsposten ist die 300-Seelen-Gemeinde in Teheran. Bis zu 70 Prozent des Budgets sind EKD-finanziert. Die EKD müsse hier bleiben, um das Band zu den einheimischen Kirchen zu pflegen, aber auch wegen des Kontakts zu den Muslimen, sagte Auslandsbischof Koppe. Besonders in islamischen Ländern könnten die Auslandsgemeinden auch "Anwaltsarbeit" für die Christen vor Ort leisten - bis hin zur Scheidung vom türkischen Ehemann.

Zur Teheraner Gemeinde zählen viele Iranerinnen deutscher Herkunft. "Sympathisantinnen", wie Pfarrer Karl Jacobi sie nennt. Für die mit Muslimen verheirateten Frauen, die nach iranischem Recht keiner Kirche angehören dürfen, ist die Gemeinde die einzige Möglichkeit Kontakt außerhalb der Familie zu haben - wenn ihr Ehemann zustimmt. Oftmals kommen sie bei Krisen, teils gegen den Widerstand des Gatten.

Auf die Einhaltung iranischer Vorschriften - etwa des Verbots, Bibeln zu verkaufen - muss die Gemeinde strikt achten, wenn sie nicht Veranstaltungsverbote oder die Ausweisung des Pfarrers riskieren will. Jacobis Vorvorgänger musste Teheran verlassen.

Die Gemeindearbeit im Ausland gestaltet sich je nach Gastland völlig anders. In Rom werden die Beziehungen zu den Katholiken gepflegt, in Israel ist es der Dialog mit Juden und Palästinensern. Unter den EKD-Auslandsposten gibt es aber ein klares "Ranking" der begehrtesten Standorte: "Washington liegt an die Spitze", sagt Bischof Koppe: "Mit Jerusalem".

02. Januar 2006

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