Gottesdienste sollen alle Sinne ansprechen

Von Thomas Morell (epd)

Hamburg (epd). In St. Trinitatis in Hamburg riecht es anders als in den meisten evangelischen Kirchen. Wenn es hier am 6. Januar das Dreikönigsfest gefeiert wird, schwenkt Pastor Michael Fridetzky eine kleine Hohlkugel mit Weihrauch. Der Gottesdienst sei ein Fest für alle Sinne, sagt Fridetzky. "Ein schöner Duft gehört dazu."

Anders als bei den Katholiken und Orthodoxen ist Weihrauch in evangelischen Kirchen noch ungewöhnlich. Doch die Kieler City-Kirche St. Nikolai verwendet ihn ebenso wie die Kölner Antoniter-Kirche. Auch im Meißner Dom und in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi roch es schon nach Weihrauch.

Nach der biblischen Erzählung bringen die drei "Weisen aus dem Morgenland" dem neugeborenen Jesuskind als Geschenk Gold, Myrrhe und Weihrauch. Weihrauch sind kleine Harzkügelchen des orientalischen Boswellia-Baums, die auf glühenden Kohlestückchen verbrannt werden. Meist geschieht dies in einer kunstvoll gearbeiteten Hohlkugel. Etwa fünf Gramm werden pro Gottesdienst gebraucht.

Weltweit führender Handelsplatz für Weihrauch ist das protestantische Hamburg. Rund 200 Tonnen werden pro Jahr im Hafen umgeschlagen. Davon verbleiben nur etwa zehn Tonnen im Land. Verwendet wird Weihrauch auch als Parfum oder Heilmittel gegen Entzündungen.

Von einem "Trend" möchte Professor Wolfgang Ratzmann, Direktor des Liturgiewisseschaftlichen Instituts der Uni Leipzig, nicht sprechen.Vor allem in Ostdeutschland gebe es eine gewisse Scheu. Es sei vor allem eine Initiative einzelner Pastoren, denen die Liturgie (Gottesdienstordnung) am Herzen liege. Grundsätzlich gebe es aber das Bestreben, die Menschen im Gottesdienst ganzheitlich anzusprechen. Neben Weihrauch zähle auch die Salbung dazu.

Der Kölner Antoniter-Pastor Bertold Höcker sieht Weihrauch als Symbol für die Anwesenheit Christi. Deshalb gelte der Rauch den Abendmahlsgeräten, dem Altar und der Gemeinde. "Nicht die Menschen werden beräuchert, sondern Christus in ihrer Mitte." In Psalm 141 sei nachzulesen, dass die Gebete aufsteigen mögen wie Weihrauch.

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein sei Weihrauch in evangelischen Kirchen selbstverständlich gewesen, sagt Höcker. Die Gottesdienste seien heute oft sehr wortlastig. Hier könne Weihrauch helfen, die Herzen zu öffnen. Verwendet werde er allerdings nur zu Festgottesdiensten. Die Reaktionen lägen zwischen Begeisterung und Skepsis wegen möglicher Verwechslungen mit Katholiken.

Auch Fürbitten-Kerzen seien früher als katholisch verschrien gewesen, sagt der Hamburger Trinitatis-Pastor Fridetzky. Heute seien sie in fast jeder evangelischen Kirche zu finden. Die Besucher hätten überwiegend positiv auf Weihrauch reagiert. Er wolle sie jedoch nicht «überfordern» und verwende deshalb sehr milden Rosen-Weihrauch.
Kritik habe es nur deshalb gegeben, weil einige Besucher im Gottesdienst manchmal husten mussten.

02. Januar 2006

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