Enquetekommission empfiehlt bessere Versorgung Sterbender

Berlin (epd). Die Ethik-Enquetekommission des Bundestags hat sich für eine bessere Versorgung sterbender Menschen und einen Ausbau der schmerzlindernden Medizin ausgesprochen. Die Situation Schwerstkranker müsse sich ändern, und die Ängste in der Bevölkerung vor einem schmerzvollen und einsamen Tod müssten genommen werden, sagte der Vorsitzende der Kommission, René Röspel, am Dienstag in Berlin. Die Enquetekommission übergab ihren Zwischenbericht zu Palliativmedizin und Hospizarbeit an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

Thierse sagte, die Antwort auf die Furcht vieler Menschen «muss nicht Hilfe zum schnellen Sterben heißen». Er hoffe daher, dass die Vorschläge der Kommission Eingang in die öffentliche Debatte über das Thema fänden. Thierse lobte die Enquetekommission, die mit dem Bericht de facto ihre Arbeit einstellte, als «verflucht fleißig».

Die Kommission empfiehlt eine gesetzliche Regelung, um den Anspruch von Patienten auf bedarfsgerechte palliativmedizinische, also lindernde Versorgung zu sichern. Dies solle als zusätzliche Säule in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden, erläuterte der Unions-Obmann Thomas Rachel. Derzeit liege Deutschland bei der palliativmedizinischen Versorgung auf der Stufe eines Entwicklungslandes. Für die Krankenkasse sollten Anreize geschaffen werden, um die teure Behandlung dieser Patienten zu übernehmen.

Zudem sollten Angehörige die Möglichkeit erhalten, sich für die Sterbebegleitung von der Arbeit freistellen zu lassen, schlägt die Kommission vor. Während dieser Familien-Hospiz-Karenzzeit soll der Arbeitnehmer auf seinen Lohn verzichten, der Arbeitgeber aber weiter die Sozialbeiträge zahlen. Dies soll über Steuern gegenfinanziert werden. Die FDP votierte in der Kommission dafür, eine Abwägung mit «zwingenden Interessen des Betriebes» vorzunehmen, wie FDP-Obmann Michael Kauch sagte.

Um die ambulante Betreuung Sterbender oder Schwerstkranker zu verbessern, sollen flächendeckend in Deutschland so genannten Palliativ-Care-Teams eingerichtet werden. Dabei arbeitet der Hausarzt mit einem Palliativfachdienst zusammen. Solche Modelle habe es bereits gegeben. Sie seien aber alle eingestellt worden, kritisierte der SPD-Obmann Wolfgang Wodarg.

Darüber hinaus plädiert die Enquetekommission dafür, Palliativmedizin zu einem Pflichtfach in der Ausbildung von Pflegekräften und Medizinern zu machen. Dafür seien zwar weitere Lehrstühle notwendig, aber diese Kosten seien sinnvoll eingesetzt, so die Obfrau der Grünen, Christa Nickels.

Der Bonner Palliativmediziner und Sachverständige in der Kommission, Professor Eberhard Klaschik, sagte, bislang mache die Palliativmedizin bei den gesetzlichen Krankenkassen 0,03 Prozent der gesamten Ausgaben aus. Wenn die Empfehlungen der Kommission umgesetzt würden, stiegen diese Ausgaben auf etwa 0,5 Prozent. Der Psychologe und Sachverständige Michael Wunder rief dazu auf, die Debatte nicht von vorneherein mit der Finanzierungsfrage zu belasten. Röspel hoffte, dass die Empfehlungen in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt würden.

28. Juni 2005

Das aktuelle Stichwort: Palliativmedizin

Berlin (epd). Der Begriff «Palliativ» leitet sich vom lateinischen Wort «pallium» für Mantel oder Umhang ab und steht für die Linderung von Schmerzen sowie für den Schutz von Kranken. Palliativmedizin gilt als älteste ärztliche Aufgabe: Die Linderung von Leiden sowie die Kontrolle der Schmerzen, wenn eine Heilung oder Lebensverlängerung nicht mehr möglich ist. Dies betrifft vor allem Krebskranke. Pro Jahr sterben mehr als 200.000 Menschen in Deutschland an einem Tumor. Rund drei Viertel von ihnen müssen wegen heftiger Schmerzen und Nebenwirkungen der Therapie behandelt werden.

Mediziner betonen, dass Schmerzen fast immer beseitigt, zumindest aber befriedigend gelindert werden können. Palliativmediziner sollen aber nicht nur gegen Schmerzen helfen. Schwere oder unheilbare Erkrankungen können zudem Ängste und Depressionen auslösen. Die psychologische Betreuung ist deshalb ebenfalls ein wichtiger Teil der Palliativmedizin.

In Deutschland wurde erst Anfang der achtziger Jahre in Köln die erste Palliativstation in einem Krankenhaus eingerichtet. Inzwischen standen nach Angaben der Deutschen Krebshilfe 2004 mehr als 2.000 Betten in 106 Palliativstationen und 129 Hospizen zur Verfügung. Hinzu kommt die Betreuung durch hunderte ambulante Hospizdienste. Die Krebshilfe gilt als Wegbereiter der Palliativmedizin in Deutschland.

Trotz der Fortschritte in den vergangenen Jahren kritisieren Ärzte ein nach wie vor unzureichendes Angebot von Schmerzmedizin in Deutschland. In anderen europäischen Ländern wie in Großbritannien, Skandinavien und Spanien gibt es in diesem Bereich eine weit bessere Versorgung. In Deutschland erhalten nach Angaben der Hospiz Stiftung nur zwei Prozent der unheilbar Kranken eine umfassende Begleitung durch hauptamtliche Teams. Der Bedarf wird auf 50 Betten pro eine Million Einwohner geschätzt.

28. Juni 2005