EKD würdigt protestantischen Widerstandskämpfer Kurt Gerstein

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den christlichen Widerstandskämpfer und SS-Offizier Kurt Gerstein (1905-1945) gewürdigt. Als Zeuge der Judenvernichtung habe Gerstein bis ins Gefängnis versucht, «das Schlimme» zu verhindern und aufzudecken, betonte der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, in einer Würdigung, die am Donnerstag in Hannover veröffentlicht wurde. Darin schreibt Huber: «Noch immer ist er einer der unbekannten Widerstandskämpfer aus christlicher Gesinnung, ein protestantischer Einzeltäter mit dem Ursprung in der Bekennenden Kirche.»

Der Ratsvorsitzende rückt den auch als «Spion Gottes» bezeichneten Gerstein in die Nähe des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Wie Bonhoeffer habe er frühzeitig die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus erkannt: «Beide verließen damit den vorsichtigen Kompromisskurs von Teilen der Bekennenden Kirche zwischen Anpassung und Protest.» Anlass der Würdigung ist der 60. Todestag Gersteins, der sich im Pariser Militärgefängnis Cherche-Midi am 25. Juli 1945 erhängt hatte.

Sein Lebensweg wurde einer breiteren Öffentlichkeit durch das Drama «Der Stellvertreter» (1963) von Rolf Hochhuth bekannt, in dem er eine zentrale Rolle einnimmt. Geboren wurde er am 11. August 1905 im westfälischen Münster als sechstes Kind des Landgerichtspräsidenten Ludwig Gerstein und seiner Frau Klara. Als Schüler kommt er mit Schülerbibelkreisen und der evangelischen Jugendarbeit in Kontakt. Seit Mai 1933 Mitglied der NSDAP, protestierte Gerstein offen gegen die Auflösung der evangelischen Jugendbünde durch die Nationalsozialisten und schloss sich der Bekennenden Kirche an.

Wegen dieser wiederholten Proteste wird Gerstein 1936 in Saarbrücken von der Gestapo verhaftet. Der Ausschluss aus der Partei markierte das Ende seiner Karriere als Bergassessor. Gerstein beginnt in Tübingen mit dem Medizinstudium. Um mehr Informationen über die Euthanasieprogramme zu erhalten, meldete er sich 1940 als Freiwilliger zur SS.

Als Chef der Abteilung Gesundheitstechnik des Hygiene-Institutes der Waffen-SS war er auch mit der Beschaffung des Giftgases Zyklon B beauftragt und besichtigte im August 1942 die Vernichtungslager der «Aktion Reinhard». Dabei wurde Gerstein Zeuge von Massenvergasungen und informierte ausländische Diplomaten sowie hochrangige Kirchenvertreter über die Verbrechen in den Vernichtungslagern.

Von der Entnazifizierungs-Spruchkammer in Tübingen wurde Gerstein nach seinem Tod als «belastet» eingestuft. Der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger ordnete ein Jahrzehnt später eine Überprüfung des Falles Gerstein an, die vor 40 Jahren zu dessen Rehabilitierung führte.

23. Juni 2005