Ministerpräsident Wulff und Bischöfe würdigen Loccumer Vertrag

Loccum (epd). Das Land Niedersachsen und die fünf evangelischen Landeskirchen haben am Donnerstag in Loccum bei Nienburg das 50-jährige Bestehen des Loccumer Vertrages gefeiert. «Der Vertrag hat eine neue Epoche in der rechtlichen Gestaltung des Verhältnisses zwischen evangelischen Kirchen und dem Staat eingeleitet», sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) beim Festakt in der Loccumer Klosterkirche laut Redemanuskript.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, sagte, der Loccumer Vertrag sei heute genauso aktuell wie damals: «Auch heute gilt, dass sich die Kirchen ihrem Auftrag zu öffentlichem Wirken zu stellen haben.» Der Oldenburger Bischof Peter Krug betonte als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, der Vertrag habe sich «in Theorie und Praxis unter allen Regierungen und Kirchenleitungen bewährt».

Der Vertrag wurde am 19. März 1955 im Kloster Loccum als erster deutscher Staatskirchenvertrag nach Kriegsende unterzeichnet. Beide Seiten verpflichten sich darin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche. Der Vertrag wurde zum Vorbild für alle weiteren Staatskirchenverträge in den deutschen Bundesländern, auch noch nach der Wiedervereinigung.

Wulff bewertete das in dem Vertrag vereinbarte Miteinander von Staat und Kirche als dritten Weg zwischen einer Staatskirche nach preußischem Vorbild und einer radikalen Trennung wie in Frankreich. «Es ging um Partnerschaft, ja um freundschaftliche Beziehungen statt um Kontrolle und Bevormundung», sagte er. Festgehalten sei, dass die Kirche ihre eigene, vom Staat unabhängige Ordnung habe und zugleich in der Öffentlichkeit wirke. Sie sei nicht nur ein «privater Verein zur seelischen Betreuung der Mitglieder».

«Kirche und Staat sind zwar verschieden, aber keineswegs geschieden», sagte der Ministerpräsident. Zugleich sei in der «Loccumer Formel» so etwas wie ein staatlich anerkannter Widerstandsauftrag an die Kirchen formuliert für den Fall, dass der Staat seine Aufgaben oder Grenzen zu verfehlen drohe. Die Kirche solle den Staat kritisch-konstruktiv begleiten, sagte Wulff, «auch wenn die Politik über das damit immer wieder auftretende Störfeuer nicht immer begeistert war».

Bischof Huber betonte, dass das Religiöse nicht aus dem öffentlichen Raum verbannt werden dürfe. Der Loccumer Vertrag habe dies in vielen Bereichen konkret festgehalten. Als Beispiele nannte Huber die Ausbildung der Pfarrer und Religionslehrer an den Universitäten, den Religionsunterricht, die Kirchensteuer, den Umgang mit Baudenkmälern und die Seelsorge in staatlichen Einrichtungen wie Gefängnissen. Die Rahmenbedingungen der Religionsfreiheit müssten so gestaltet werden, «dass religiöser Fanatismus darin keinen Platz hat und haben kann», sagte Huber.

Bischof Krug sagte, Kirche und Staat seien beide auf den Menschen ausgerichtet, obwohl sie verschiedene Aufträge hätten: «Es war und ist vernünftig und für beide Seiten förderlich, mit geregelten Beziehungen in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen dem Gemeinwohl zu dienen.» Zur Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gehören die lutherischen Landeskirchen von Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz in Leer. Sie vertreten zusammen mehr als vier Millionen Gemeindemitglieder.

16. Juni 2005