Publizist Reinhard Henkys gestorben

Brückenbauer zwischen Ost und West

Der Berliner Publizist Reinhard Henkys ist im Alter von 76 Jahren gestorben

Von Hans Hafenbrack

Frankfurt a.M. (epd). Der 13. August 1961, der Tag des Mauerbaus, wurde zum Schicksalstag des Journalisten Reinhard Henkys. Nach der Rückkehr vom sonntäglichen Kirchgang forderte sein Chefredakteur den noch Ahnungslosen auf, mit dem nächsten Flugzeug nach Berlin zu fliegen. Er sollte dort die Berichterstattung des Evangelischen Pressedienstes (epd) über die Kirchen in der DDR aufbauen.

Damit begann eine 30-jährige Erfolgsgeschichte. Die publizistische Begleitung der «Kirche im Sozialismus» wurde sein Lebensthema. Henkys galt bald als kompetentester journalistischer Interpret der Kirche in der DDR. Am Mittwochabend ist er im Alter von 76 Jahren in einem Krankenhaus im vorpommerschen Pasewalk gestorben.

Der Pfarrerssohn aus Ostpreußen hatte in Berlin, Bonn und Tübingen Geschichte, Germanistik und Wirtschaftswissenschaften studiert. Das journalistische Handwerk lernte er als Volontär beim «Berliner Kurier». 1955 wurde er Redakteur beim rheinischen epd-Landesdienst in Düsseldorf. 1960 trat er in die epd-Zentralredaktion in Bielefeld-Bethel ein.

Einen Namen machte sich Henkys zunächst mit seinen Arbeiten über den Nationalsozialismus. 1961 erschien die Studie «War es wirklich so schlimm?». Diese Broschüre über «Christen und Juden im Nationalsozialismus» sollte eine ganze Gymnasiasten-Generation in Nordrhein-Westfalen beeinflussen. Zwei Jahre später legte er unter dem Titel «Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen - Geschichte und Gericht» die erste deutsche Gesamtdarstellung der NS-Verbrechen vor.

Mit seinem Wechsel 1961 nach Berlin wurde Henkys mehr als der Chronist der evangelischen Kirchen in der DDR. Er hat die hochkomplexe, dem Westen fremde Staat-Kirche-Beziehung tausendfach analysiert. Dabei leiteten ihn stets politische Grundeinsichten. Seine Arbeiten über die Kirche in der DDR waren für ihn Deutschlandpolitik. Andererseits verstand sich Henkys als Christ.
Neben dem kühlen politischen Kopf bewahrte er ein warmes Herz für die «besondere geistliche Gemeinschaft» der Kirchen beiderseits der Mauer.

Henkys war ein gefragter Kommentator in allen ARD-Sendern, beim RIAS, im Deutschlandfunk und bei der Deutschen Welle. 1975 gründete er die Zeitschrift «Kirche im Sozialismus». Er schrieb Bücher über sein Spezialthema. Dazu zählen «Deutschland und die östlichen Nachbarn» und «Gottes Volk im Sozialismus». Er hat zudem das Standardwerk «Die evangelischen Kirchen in der DDR» herausgegeben.

1996 erhielt er den renommierten Karl-Barth-Preis, mit dem zuvor Karl Lehmann und Hans Küng ausgezeichnet worden waren. Der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel würdigte Henkys bei der Preisübergabe als «Pontifex optimus». Der «beste Brückenbauer» zwischen Ost und West habe zu einer verantwortungsvollen Urteilsbildung beigetragen, die sich auch politisch ausgewirkt habe.

12. Mai 2005