EKD-Vizepräsident: Patientenverfügungen sollten gestärkt werden

Berlin (epd). Mit Blick auf den Streit um die US-amerikanische Wachkoma-Patientin Terri Schiavo hat sich der EKD-Vizepräsident Hermann Barth dafür ausgesprochen, künstliche Ernährung nicht gegen den erklärten Willen von Patienten fortzusetzen. Barth, der auch Mitglied des Nationalen Ethikrates ist, betonte aber im Gespräch mit dem epd am Mittwoch, wo der Patientenwille nicht eindeutig feststehe, müsse im Zweifel immer für das Leben entschieden werden. Dies gelte auch im Fall Schiavo.

Der Fall Schiavo führe «in riesige Dilemmata, weil keine Patientenverfügung vorliegt». Hinzu komme der Streit der Angehörigen um den mutmaßlichen Willen der Frau. Die am Montag der Öffentlichkeit vorgestellte Schrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Umgang mit Patientenverfügungen gehe auch auf die schwierige Wachkoma-Situation ein, sagte Barth. Danach sei es aus evangelischer Sicht eine legitime Möglichkeit, einer Verfügung zu folgen, in der ein Patient bestimme, dass seine künstliche Ernährung unter bestimmten Bedingungen eingestellt werden solle.

Er persönlich sei der Meinung, dass die künstliche Ernährung per Magensonde sich in ethischer Hinsicht nicht von anderen medizinischen Eingriffen - etwa einer Antibiotika-Behandlung bei einer Lungenentzündung - unterscheide, erläuterte Barth. In der EKD gebe es aber auch die andere Position, wonach künstliche Ernährung zur Grundversorgung gehöre und nicht eingestellt werden dürfe. Beide Positionen fänden sich in der EKD-Veröffentlichung unter dem Titel «Sterben hat seine Zeit». Zwischen diesen Polen müsse in jedem Einzelfall entschieden werden.

Er trete dafür ein, so der Theologe, das Instrument der Patientenverfügung zu stärken, habe aber Zweifel, ob die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen gesetzlich geregelt werden könne. Im Einzelfall werde man immer das, was ein Patient zuvor verfügt hat, auf die konkrete spätere Situation des Kranken beziehen müssen: «Nahezu jede Patientenverfügung ist auslegungsbedürftig.»

Bei dieser Auslegung müsse im Miteinander von Ärzten, Pflegern, Angehörigen und Seelsorgern nach einem Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge gesucht werden. Diesen Ausgleich könne man nicht gesetzlich vorschreiben. Nachdem bereits unterschiedliche Positionen aus der Enquete-Kommission des Bundestages und der Kutzer-Kommission des Justizministeriums vorlägen, hoffe er, so Barth, dass auch der Nationale Ethikrat sich zum Umgang mit Patientenverfügungen äußern werde.

23. März 2005