Bischöfe ziehen Karfreitag durch Lübecks Altstadt

Deutschlands ältester Kreuzweg wird wieder belebt 

Von Thomas Morell

Lübeck (epd). Erstmals seit der Reformation werden an Karfreitag (25. März) zwei Bischöfe den Lübecker Kreuzweg begleiten. Der katholische Hamburger Erzbischof Werner Thissen und der evangelische Lübecker Altbischof Karl Ludwig Kohlwage werden um 10 Uhr von der Jakobi-Kirche zum Jerusalemsberg ziehen. Prominenter Begleiter ist Ex-Ministerpräsident Björn Engholm (SPD). Sie werden an den Stationen drei kurze Andachten halten. 

Der Lübecker Kreuzweg ist nach Angaben der Kirchenhistoriker der älteste in Deutschland und der "Via Dolorosa" in Jerusalem nachgebildet. Diesen Weg soll Jesus nach seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein. 

Er geht zurück auf den Kaufmann und Ratsherrn Hinrich Konstin im 15. Jahrhundert, der für sein Seelenheil eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen hatte. Er starb 1482 kinderlos und verfügte in seinem Testament, dass von seinem Vermögen ein Kreuzweg gebaut werden sollte. 

In Lübeck erinnern "Konstinkai" und "Konstinstraße" noch an den Stifter. Der 1.650 Meter lange Kreuzweg beginnt an einem Relief der evangelischen Jakobi-Kirche. "Hir beginet de crucedracht Xsti bute de borchdare to Jerusale", heißt es dort. Übersetzt: "Hier beginnt die Kreuztragung Christi vor das Burgtor nach Jerusalem". 

Vor den Stadtmauern hatte Konstin eigens für seinen Kreuzweg den "Jerusalemsberg" aufschütten lassen. Er ist heute an der Konstinstraße als vier Meter hoher Hügel zu sehen. Ursprünglich muss er höher gewesen sein, denn die Franzosen hatten während ihrer Belagerung 1813 einen Teil abgetragen. 17 stattliche Eichen umrahmen das Denkmal mit der Kreuzigung Jesu. Vermutlich hatte Konstin den Platz gewählt, weil Jesus außerhalb der Stadtmauern gekreuzigt worden war. 

Nach der Reformation geriet der Kreuzweg in Vergessenheit. Tafeln für die weiteren Stationen wurden abgebaut. Vor elf Jahren hatte ihn der katholische Propst Helmut Siepenkort per Zufall wieder entdeckt. Anfangs waren es etwa ein Dutzend Christen, die an Karfreitag den Kreuzweg schweigend abschritten und an fünf Stationen biblische Texte lasen oder meditierten. Später beteiligte sich auch die evangelische Jakobi-Gemeinde. Schon im vergangenen Jahr stieg das Interesse merklich an, als rund 50 Teilnehmer gezählt wurden.

18. März 2005