"Sieben Wochen Ohne" startet am 9. Februar

Nach der Entsagung ein Schokoladenei - Zwei Millionen Menschen beteiligen sich an der Fastenaktion «Sieben Wochen Ohne»

Von Stefanie Bock

Frankfurt a.M. (epd). Evelin Evers blickt mit gemischten Gefühlen auf die kommenden Wochen. Ab Aschermittwoch (9. Februar) will sie vierzig Tage auf Alkohol und Schokolade verzichten. So leicht ihr ein Leben ohne Bier und Wein fällt, so schwer fällt es ihr ohne Schokobons und Pralinen. Aber es lohnt sich: «Es gibt wenig, was in der Seele so reich macht wie Fasten», sagt sie. Evers ist eine von rund zwei Millionen Menschen, die an der Fastenaktion «Sieben Wochen Ohne» der evangelischen Kirche teilnehmen.

Seit 22 Jahren verbinden die Teilnehmer auf diese Art die Tage vor Ostern mit dem Verzicht auf Annehmlichkeiten wie Gummibärchen, Zigaretten, Bier oder Fernsehen. «Weniger ist mehr. Wo Entsagung ist, ist Platz für Neues», erklärt Heike Adolff, Koordinatorin der Aktion im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt am Main.

Durch das Fasten mache man sich bereit, Neues aufzunehmen, seinem Leben eine andere Richtung zu geben, erläutert Pfarrer Paul-Ulrich Lenz, Referent vom Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Gemäß dem diesjährigen Motto «Lichtblicke», geht es darum, «Hoffnung zu schöpfen, Perspektiven zu schaffen und frei zu werden von pessimistischen Gedanken».

Denkanstöße zu Glaubens- und Sinnfragen hält ein Kalender für die Fastenanhänger aller Generationen bereit. Wie und wo «Lichtblicke» im Leben aufleuchten, beschreiben darin unter anderen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, und der ehemalige CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm.

Unumstritten war das Fasten in der christlich-jüdischen Tradition nie. Die Reformatoren um Martin Luther kritisierten es als reine Äußerlichkeit, durch die das Wohlwollen Gottes nicht erlangt werden könne. Der Prophet Jesaja geißelte es als eine auf bloße Innerlichkeit zugespitzte Ausübung, die gesellschaftlich ohne Wirkung bleibe: «Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast; lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast» (Jesaja, Kapitel 58, Vers 6).

Davor, dass das Fasten zu einer hohlen Form verkommt, warnt auch Hermann Düringer, Direktor der Evangelischen Akademie Arnoldshain. Wer faste, solle die Zeit nutzen, sich auf das bevorstehende Osterfest vorzubereiten und den christlichen Charakter nicht verdrängen. Lenz findet es jedoch wichtig, dass die Kirche «nicht immer gleich mit einem Rucksack voll Theorie zu den Menschen kommt».

Auf was verzichtet wird, kann bei «Sieben Wochen Ohne» jeder für sich wählen. Befürchtungen, dass so eine Beliebigkeit entsteht, teilt Koordinatorin Adolff nicht. Die freie Wahl entspricht sogar einem ur-reformatorischen Anliegen, da Luther allen religiösen Zwang abgelehnt hat.

Einige Teilnehmer haben die Aktion in «Sieben Wochen Mit» umfunktioniert: Sie treiben öfter Sport, planen Spieleabende mit der Familie oder schreiben wieder Briefe. Nicht immer ist die Verbindung zur Passion offensichtlich. «Selbstverständlich soll das Fasten auch Spaß machen, aber man muss schon aufpassen, dass es nicht lächerlich wird», warnt Düringer.

Ob Luther akzeptieren würde, wenn auf Telefonieren oder Rolltreppe fahren verzichtet werde, wie es die Veranstalter vorschlagen, bezweifelt der Darmstädter Pfarrer Stephan Krebs. Um dem Charakter der Buße, dem die Passionszeit zu Grunde liegt, zu entsprechen, fordert er die Veranstalter auf, eine begrenzte Zahl von Fastenvorschlägen zu geben. Gemeinsam könne dann über die Bedeutung der Vorgaben für das gesellschaftliche Leben diskutiert werden.

Am Ostermorgen - noch vor dem Gottesdienst - nascht Evelin Evers zum Abschluss der enthaltsamen sieben Wochen jedes Jahr ein kleines Schokoladenei. «Das ist eine kleine Belohnung für mich, die ich mir gönne, weil ich durchgehalten habe», sagt sie. Üppiger ging es wohl 1522 bei Ulrich Zwingli zu. Der Schweizer Reformator traf sich mit Freunden zu einem ausladenden Wurstessen, jedoch mitten in der Fastenzeit. Die katholische Kirche tobte. Zwingli aber verwies gelassen auf das Fehlen eines biblischen Fastengebots.

31. Januar 2005