Käßmann: Traurig und zornig über Lukaschenko

Hannover (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat traurig und zornig auf die Ankündigung des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko reagiert, die Reisefreiheit für Minderjährige abzuschaffen. «Mich macht fassungslos, wie sich hier ein selbstherrlicher Politiker an Kindern vergreift», sagte Käßmann am Freitag dem epd. Seit 1990 sind in der hannoverschen Landeskirche jedes Jahr rund 1.000 Kinder aus Weißrussland zu Gast, um sich von den Spätfolgen der Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl zu erholen.

«Wer einmal die Kinder vom Flughafen abgeholt hat und sehen konnte, wie sie nach ihrem Aufenthalt gestärkt, erholt und voller Hoffnung wieder nach Hause reisen, kann Lukaschenkos Ankündigungen nur als zynisch bezeichnen», sagte die Bischöfin. Es sei für sie immer bewegend gewesen, wie durch die Aktion «Hilfe für Tschernobyl-Kinder» Völkerverständigung gewachsen sei.

Lukaschenko plant, Kindern nur noch in Ausnahmefällen eine Auslandsreise zu gestatten, weil sie bei Aufenthalten im Westen mit den «schädlichen Werten der westlichen Konsumgesellschaft» konfrontiert würden. Durch diese Äußerungen werde einem ehrenamtlichen Engagement aus christlicher Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit brutal der Boden entzogen, sagte Käßmann. «Gewachsenes Vertrauen, das wir in Europa dringend brauchen, wird beschädigt. Vor allem werden die Kinder darunter leiden», so die evangelische Theologin.

Nach Angaben der Landeskirche gelten in der verstrahlten Region Gomel nur sechs Prozent der Kinder als gesund. Die Krebserkrankungen stiegen weiter an, begleitet von zahlreichen anderen schweren Krankheiten wie Jugenddiabetes und Immunschwäche. Rund 600 Gastfamilien aus ganz Niedersachsen hätten in jedem Jahr die Kinder bei sich aufgenommen und liebevoll betreut. Allein in diesem Sommer seien außerdem 1,8 Tonnen an Medikamenten in die verstrahlte Region geschafft worden.

19. November 2004

Weißrussland schafft Reisefreiheit für Kinder ab

Moskau (epd). Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko will die Reisefreiheit für Minderjährige abschaffen. Nur in Ausnahmefällen solle Kindern in Zukunft eine Auslandsreise erlaubt werden, zitierte die «Moscow Times» Lukaschenko am Freitag. Bei Aufenthalten im Westen würden weißrussische Kinder mit den schädlichen Werten der westlichen Konsumgesellschaft konfrontiert.

Bei einer Rede zur Eröffnung des neu gewählten Parlaments sprach sich der autoritäre Staatschef zudem kategorisch gegen Adoptionen weißrussischer Kinder durch Ausländer aus. «Dies ist eine Schande für den Staat und wir müssen ein für alle Mal Schluss damit machen», sagte Lukaschenko russischen Zeitungen zufolge. Jede Adoption und jeder Kuraufenthalt weißrussischer Kinder im Ausland müsse in Zukunft vom Bildungsminister persönlich genehmigt werden.

In der Vergangenheit hatten viele von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl betroffene Kinder ihre Ferien in Westeuropa verbracht. Lukaschenko, der die GUS-Republik seit 1994 mit zunehmend autoritären Methoden regiert, hatte die nach dem Zerfall der UdSSR eingeführte Reisefreiheit seiner Bürger bislang noch nicht erheblich eingeengt.

19. November 2004