"Ich geh' mit meiner Laterne ..."

Aus der Kulturgeschichte der herbstlichen Lichterumzüge

Von Brigitte Jonas

Frankfurt a.M. (epd). Wenn die Tage wieder merklich kürzer werden, laden Kindergärten, Schulen und Kirchengemeinden zum "Laternegehen" oder der katholischen Tradition folgend zum Martinsumzug am 11. November ein. Die Kinder studieren dafür Lieder ein und singen dann von ihrer Laterne und vom heiligen St. Martin. Der Martinstag erinnert an den im Jahr 397 gestorbenen heiligen Einsiedler und späteren Bischof Martin von Tours, der der Überlieferung zufolge Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben haben soll.

Der Lichterumzug führt die Kinder durch die Straßen ihres Stadtteils und endet an zentraler Stelle. Dort trifft man sich dann oft noch bei einem großen Martinsfeuer, das für alle Licht und Wärme spendet. Zum Abschluss werden an die Kinder die traditionellen Martinsbrötchen verteilt oder kleine Stockbrote. Dazu gibt es wärmenden Glühwein oder Kinderpunsch.

Die Lichterumzüge sind keineswegs ein "uralter Kinderbrauch", sondern ein Relikt alter, spätherbstlicher Feuer- und Lichtbräuche, die sich heute in weitgehend kindgerechter Form präsentieren. Denn während es heute in erster Linie jüngere Kinder sind, die in Begleitung ihrer Eltern singend durch die Straßen ziehen und dabei bunte Papierlaternen und Lampions schwenken, waren es früher zumeist Erwachsene. Nach Einbruch der Dunkelheit brachen sie mit Laternen oder Fackeln zu einem Gang durch die Straßen und Felder auf.

Begründet wurden diese Gänge damit, dass alle Wiesen und Äcker, die der Schein des Lichtes traf, im kommenden Jahr besonders fruchtbar werden sollten. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert sollen Jugendliche in Westfalen und Holland mit Martinsfackeln durch die Straßen gezogen sein und Martinslieder gesungen haben. Die Sänger wurden damals für ihr "frommes Bemühen" mit Obst, Nüssen und Backwerk belohnt.

Ein "Martinsritt", bei dem "St. Martin" gefolgt von einer singenden Kinderschar mit Laternen durch die Straßen reitet, soll erstmals 1886 in Düsseldorf stattgefunden haben. Die dabei gesungenen Lieder erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit: "Martin ist ein guter Mann, zündet ihm die Lichter an" oder "Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind".

Das zum Klassiker gewordene Lied "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" soll im Übrigen bereits seit 1740 in Norddeutschland gesungen worden sein. Auch das nicht minder bekannte "Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir" dürfte dort beheimatet gewesen sein. Ungeachtet aller geschichtlichen Bezüge soll es aus Sicht der Kinder jedoch ganz einfach "aufregend und schön" sein, im Dunkeln mit bunten Laternen mitten auf den Straßen zu gehen.

11. November 2004