Kino: "Im Auftrag des Herrn"

Die Rolle der Geistlichen im Film hat sich gewandelt

Von Raimund Gerz

Frankfurt a.M. (epd). Von Perdo Almodóvars Melodram «La Mala Educación - Schlechte Erziehung» bis zur Komödie «Miffo», von Volker Schlöndorffs «Der neunte Tag» bis zum «Dogma»-Film «In Deinen Händen»: Priester und Pfarrer spielen im Kino derzeit eine bedeutende Rolle. In Schlöndorffs «Der neunte Tag» etwa erhält ein Abbé «Urlaub» aus dem Konzentrationslager, um den luxemburgischen Bischof zur Kooperation mit den Nazis zu bewegen. Sollte er fliehen, würden die Insassen des Priesterblocks erschossen - ein moralisches Dilemma. In Deutschland kommt der Film am 11. November in die Kinos.

Pfarrer im Film: das sind heutzutage nicht mehr nur Seelsorger, Moralapostel oder gar Teufelsaustreiber («Exorzist») wie früher häufig im Genrefilm. Vielmehr erscheint der Geistliche heute stärker in den Alltag eingebunden und selbst von Zweifeln, Ängsten und Nöten verfolgt.

Wenn es um Pfarrer im Film geht, fallen dem Kino- und TV-Zuschauer gewöhnlich zwei Namen ein: Don Camillo und Pater Brown. Mehr als 250 Filme, in denen ein Pfarrer eine Hauptrolle spielt, haben Forscher des Instituts für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg zusammengetragen. Eine wissenschaftliche Untersuchung auf der Basis von 86 Filmen ergab, dass mehr als 70 Prozent dieser Rollen als katholische Geistliche besetzt sind.

Die konfessionelle Aufteilung ergibt: Komödie und Horrorfilm sind stark katholisch besetzte Genres, während in den Dramen, also den Problemfilmen, der evangelische Pfarrer dominiert. Die Auswertungen zeigen, dass vornehmlich katholische Spezifika wie Zölibat und Beichtgeheimnis und die damit verbundenen Probleme auf das Interesse der Filmemacher stießen. Das klassische Pfarrerbild des Unterhaltungsfilms, so bilanziert Roland Uden die Erlanger Forschungen, sei bestimmt durch den Pfarrer als Mitmenschen und Sympathieträger, dessen Religiösität sich im Alltag der praktischen Seelsorge bewähre.

In den letzten Jahren begegnen uns im Kino wieder auffallend viele Geistliche. Inzwischen aber sind evangelische Pfarrer besonders stark vertreten - vielleicht, weil sie traditionell über die stärkere lebensweltliche Anbindung verfügen. Vor allem jüngere Filme aus Skandinavien nehmen sich der Rolle des Pfarrers ernsthafter an. Auch da, wo sie als Komödie daherkommen, werden Situationen von existenzieller Bedeutung aufgegriffen.

«Italienisch für Anfänger» (Dänemark 2000) von Lone Scherfig firmiert zwar als erste Komödie der dänischen «Dogma»-Bewegung, aber nahezu sämtliche Protagonisten stehen vor schweren menschlichen Prüfungen oder haben diese gerade hinter sich. In diesem Kreis, der sich abends in einem Italienisch-Kurs zusammenfindet, ist der Pfarrer Andreas einer von vielen. Die Glaubensgewissheit, die viele Filmpfarrer verkörpern, kann Andreas den anderen nicht vermitteln.

Die Erfahrung existenzieller Heimatlosigkeit kennzeichnet auch die Situation des jungen Pfarrers Tobias in der schwedischen Komödie «Miffo» von Daniel Lind-Lagerlöf. Wie sein Kopenhagener Kollege Andreas steht Tobias vor den leeren Bänken seiner Kirche irgendwo in einer Göteborger Waschbetonsiedlung. Seiner Berufung zum Pfarrer war er sich nie gewiss. Es scheint, als sei diese eher seiner ablehnenden Haltung gegenüber den bürgerlichen Eltern geschuldet denn einer tiefen christlichen Überzeugung.

Ein nachgerade düsteres Ende leistet sich der auf der Berlinale aufgeführte dänische Film «In deinen Händen» (2004) von Annette K. Olesen: Eine Gefängnispfarrerin wird damit konfrontiert, dass ihr lange gewünschtes Kind behindert zur Welt kommen wird - wenn sie sich nicht zur Abtreibung entschließt.

Jüngere «Pfarrer-Filme» weichen von bisherigen Schemata ab. Vor allem TV-Serien wie «Mit Leib und Seele» (1989) oder «Oh Gott, Herr Pfarrer» (1988) rückten die Geistlichen noch in den Mittelpunkt vielfältiger sozialer und familiärer Konflikte, für die sich häufig eine Lösung fand. Diese Gewissheit haben die neueren Kinoarbeiten nicht mehr zu bieten. Vielmehr treten hier Pfarrer auf, die ihre Ratlosigkeit mit anderen Menschen teilen. Und nicht selten drohen in den Fährnissen des Lebens auch die metaphysischen Gewissheiten, für die ihr Glauben stand, mit über Bord zu gehen.

04. November 2004