Bibel wurde neu ins Niederländische übersetzt

Von Annette Birschel

Amsterdam (epd). «Endlich eine Bibel für jeden» jubelt die niederländische Bibelgesellschaft. «Schöner geht's eigentlich nicht» preist sie die neue niederländische Bibelübersetzung an. Das erste Exemplar wurde am Mittwoch in Rotterdam Königin Beatrix übergeben. Die neue Bibel soll verständlicher sein, als die bisher gängige Übersetzung von 1951.

Über zehn Jahre hatten Hunderte von Übersetzern, Theologen, Sprachwissenschaftlern und Schriftstellern Wort für Wort der hebräischen, griechischen und aramäischen Urtexte neu übersetzt. An dem Mammutprojekt waren 23 Religionsgemeinschaften in den Niederlanden und Belgien beteiligt, darunter erstmals Katholiken und Juden.

«Das Buch der Bücher neu zu übersetzen ist ein ehrgeiziges und spannendes Unternehmen», sagt der Professor für Hebräisch und Aramäisch, Jan Fokkelman. Er lobt die flüssige und verständliche Sprache. Doch Millionen von Menschen würden sich nur schwer an die neue Bibel gewöhnen, vermutet er.

Gestammel hört Fokkelman bereits in den Kirchen, wenn künftig beim Vaterunser nicht mehr «unser täglich Brot gib uns heute» gebetet werden soll, sondern «Gib uns heute das Brot, das wir brauchen». Entsetzt werden wohl auch viele Christen zu Weihnachten hören, dass Maria das Jesuskind in den «Futtertrog legt, weil für sie kein Platz in der Übernachtungsstätte der Stadt war». Krippe und Herberge seien anno 2004 nicht mehr verständlich, meinen die Übersetzer.

Doch ein Rückschritt ist für den Wissenschaftler Fokkelman die Übersetzung von Gottes Namen. Zwar wird Gott, wie im Niederländischen üblich, noch immer gesiezt. Doch «HERR» hält der Professor für antiquiert. «Wer sich treu an die Urtexte halten will, hätte Jahwe schreiben müssen», sagt er. HERR sei, ob groß oder klein geschrieben, «sexistisch, autoritär und ideologisch».

Die Bibelgesellschaft räumt ein, dass oft Kompromisse gemacht werden mussten. Eine Bibelübersetzung sei immer ein Lavieren zwischen Textreue, Tradition und Auslegung. Außerdem sollte dies auch eine literarische Übersetzung sein.

«Zum erstenmal wurde die Bibel als Klassiker behandelt», lobt Schrifsteller Nicolaas Matsier, einer von 60 Literaten, die an der Übersetzung mitarbeiteten. Die Bibel sei echte Literatur, das werde nun deutlich. «Prosa wurde Prosa, Poesie wurde Poesie.» Ausgezeichnet findet Matsier etwa die Neufassung von dem Predigervers «Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel». «Luft und Leere, alles ist Leere», heißt es da nun. «Hier wird zwar eine Tradition aufgegeben», bedauert er. Aber dass eitel früher auch «vergeblich» bedeutete, wisse heute eben keiner mehr.

Doch viele Kritiker beklagen gerade, dass die alte getragene Sprache aufgegeben wurde. Von einer «platten Alltagssprache» etwa spricht der Pfarrer und Autor Nico ter Linden. So etwa beim Vers aus dem alttestamentarischen Buch Genesis: «Sara lebte hundert Jahre, und zwanzig Jahre und sieben Jahre» lasen die niederländischen Pfarrer seit über 350 Jahren. Ab jetzt heißt es kurz: «Sara lebte 127 Jahre». «Das Poetische ging verloren», klagt ter Linden.

Auch der Ex-Priester und Dichter Huub Oosterhuis findet die neue Übersetzung schlicht katastrophal. Alte sperrige Wörter, die zum Nachdenken anregten, und rituelle Textwiederholungen fielen dem Rotstift zum Opfer. Pikanterweise gehören die Kritiker zu den Lieblingsprediger der königlichen Familie. Wenn es nach ihnen geht, soll Königin Beatrix das Buch gar nicht erst lesen.

Doch die Kirchen hoffen, dass die neue Bibel viele Leser findet, gerade in dem Land, in dem nur noch 40 Prozent der Bürger Christen sind. Nach den ersten Trends aus dem Buchhandel könnte das neu aufgelegte Buch der Bücher ein Bestseller werden.

27. Oktober 2004