Kirchen und Wirtschaft wollen Dialog über Reformen verstärken

Berlin (epd). Die Spitzen von Kirchen und Wirtschaft wollen ihren Dialog intensivieren. Unter dem aktuellen Reformdruck könnten beide Seiten voneinander lernen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, am Dienstag in Berlin. Lehmann und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, sprachen auf einer Arbeitgeberveranstaltung über Reformen und soziale Gerechtigkeit.

Huber forderte die Wirtschaftsvertreter eindringlich auf, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Sie dürften nicht übergehen, dass viele Menschen bezweifelten, dass die Lasten gerecht verteilt würden. Die Wirtschaft müsse auch im eigenen Interesse mehr Verantwortung übernehmen für das Gelingen notwendiger Reformen, sagte Huber.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte, dass beide Kirchen deutlich gemacht hätten, dass sie Sozial-Reformen für «zwingend und unterstützenswert halten». Das Wort der Kirchen habe in der Wirtschafts- und der Gesellschaftspolitik Gewicht. Auf diese Orientierung sei in der gegenwärtigen Umbruchphase auch die Wirtschaft angewiesen. Einig seien sich Kirchen und Unternehmerlager zudem darin, dass die begonnenen Reformen erst ein Anfang sein könnten, so Hundt.

Huber: Ungerechte Lastenverteilung mindert Akzeptanz für Reformen

Berlin (epd). Vor Wirtschaftsvertretern in Berlin hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, die Lastenverteilung bei den Sozialreformen kritisiert. Wenn die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammentreffe mit der Senkung des Spitzensteuersatzes, verschlechtere dies die Akzeptanz für notwendige Reformen, sagte der Berliner Bischof am Dienstag auf einer Veranstaltung der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zu den Sozialreformen.

Huber appellierte an die Unternehmensvertreter, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Viele bezweifelten, dass die Belastungen gerecht verteilt würden. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger und der Menschen, die auf der untersten Stufe der Armut leben, nähmen seit dem Jahr 2000 stetig zu.

Die Wirtschaft müsse über ihre eigenen Interessen hinaus Verantwortung übernehmen, wenn sie nachhaltige Sozialreformen wolle. Diese müssten sich an den Menschen orientieren. Dabei gehe es nicht darum, «Sozialstaat» und «soziale Gerechtigkeit» als Begriffe für Besitzstandsdenken zu verwenden. «Wir müssen den Sozialstaat erhalten, ohne ihn zu überfordern», sagte Huber.

Der Dialog zwischen Kirchen und Wirtschaft habe sich in den vergangenen zehn Jahren intensiviert, sagte Huber. Die gegenwärtigen Umbrüche träfen die Kirchen mit ihren sozialen Einrichtungen ebenfalls. Trotz möglicher Einsparungen müssten aber wichtige Hilfsangebote erhalten bleiben. Es gehe um finanzielle Zuwendungen und um die Frage, «welche Zuwendung zu Menschen wir uns leisten wollen, die ihre Rechte nicht selbst in Anspruch nehmen können».

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte zuvor kritisiert, dass rechte Parteien, die PDS und Globalisierungskritiker von den Protesten gegen Sozialreformen profitiert hätten, «Gruppen, die selbst keine Lösungen anzubieten haben». Hundt forderte die Regierung zu weiteren Reformen auf und erklärte, Sozialpolitik werde nicht an der Höhe der Ausgaben, sondern ihrer Wirksamkeit gemessen. Umverteilung löse keine Probleme, entscheidend für soziale Gerechtigkeit seien Wachstum und Arbeitsplätze.


26. Oktober 2004