Berlin: Ein Lichtermeer der Hoffnung

Rund 4.000 Berliner Schüler entzündeten eine Million Lichter für Not leidende Kinder

Von Anne-Kathrin Fischer

Berlin (epd). Wo sonst Tausende von Autos fahren, brannten an diesem Abend Tausende von Kerzen. Rund um die Siegessäule am Großen Stern in Berlin herrschte eine unwirkliche Atmosphäre, erfüllt von den Geräuschen einer sphärischen Musik. Auf Inseln zwischen den Lichtern saßen junge Menschen. Das Flimmern so vieler Kerzen auf engem Raum glich einem Meer, auf dessen Oberfläche die Sonne reflektiert.

Im Straßenrund um die Siegessäule nutzten am Freitagabend rund 4.000 Berliner Schüler den eigens dafür gesperrten Verkehrsknotenpunkt, um Kerzen für Not leidende Kinder in der Welt anzuzünden. Die Aktion «Eine Million Lichterstadt Berlin» war von dem Konzeptkünstler Misha Bolouri zusammen mit der Hilfsorganisation World Vision Deutschland und dem Verein «KulturPate» vorbereitet worden. Eine Million Lichter standen dabei symbolisch für die Zahl von Kindern, die nach Angaben der Veranstalter jeden Monat weltweit an Unterernährung, Krankheit und Gewalt sterben.

«Als wir angefangen haben und die erste Reihe angezündet wurde, sind die Kerzen immer ausgegangen», erzählte die 17-jährige Laura. «Dann hat der Wind aber aufgehört, und es wurden immer mehr Kerzen, und es hat immer schöner ausgesehen.» Auch der zehnjährige Julius war begeistert: «Ich dachte zuerst, das wird sicher langweilig, aber jetzt ist es schön, auch mit der Musik.»

Die Toncollagen, die über den Großen Stern erschallten, waren ein Werk des Berliner Musikers Simon Stockhausen. Er hatte Kindergesänge aus aller Welt, Vogelstimmen und elektronische Klänge zu einer eigenwilligen Musik vermischt. Eine ähnliche Lichtinstallation hatte Misha Bolourie bereits 1996 um den Kölner Dom realisiert. Ziel damals wie heute sei es, mit einer künstlerischen Aktion Aufmerksamkeit auf ein dringliches soziales Thema zu lenken, so der Aktionskünstler.

Das Licht sollte dabei Hoffnung spenden und als Aufforderung dienen, die Gleichgültigkeit gegenüber benachteiligten Kindern abzulegen. Das überkonfessionelle christliche Hilfswerk World Vision nannte eindringliche Zahlen: Mehr als 500 Millionen Kinder leben von weniger als einem Dollar am Tag, 150 Millionen Jungen und Mädchen unter fünf Jahren sind chronisch unterernährt. 100 Millionen Kinder besuchen keine Schule.

Mit zunehmender Dunkelheit wuchs um die Siegessäule das Lichtermeer. Unermüdlich zündeten die Schüler Kerze um Kerze an und stellten die Windlichter zu Sonnen, Weltkugeln und Friedenszeichen zusammen. Um zwölf Uhr, nach fünfeinhalb Stunden, war es geschafft. Kurt Bangert von World Vision verkündete, die Million sei nahezu erreicht. Doch noch immer wurden ganze Paletten mit Kerzen gebracht und ausgegangene Lichter wieder angezündet. Den Autos gehörte die Straße erst am frühen Morgen wieder.

21. August 2004