Bischof Huber bedauert Rolle der Kirche bei Herero-Krieg in Namibia

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat die Rolle der Kirche bei den deutschen Kolonialverbrechen an den Herero im heutigen Namibia bedauert. Zwar hätten sich vor 100 Jahren im damaligen Deutsch-Südwestafrika einzelne Missionare für die Belange der einheimischen Bevölkerung eingesetzt, aber durch die Zusammenarbeit mit den Kolonialbehörden sei auch die Kirche mitschuldig geworden, sagte Huber am Samstag im Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Die Verbrechen der deutschen Kolonialtruppen könnten nicht wieder gutgemacht werden. Aber die Deutschen hätten eine besondere Verantwortung dafür, dass die Folgen, die bis heute Teile der Bevölkerung in heutigen Namibia belasteten, überwunden würden. Wer Versöhnung ermöglichen wolle, müsse zur Erinnerung bereit sein, sagte Huber.

Am 11. August 1904 hatte mit der Schlacht am Waterberg im heutigen Namibia die Niederschlagung des Herero-Aufstandes begonnen. In einem Vernichtungskrieg kamen bis 1908 nach Schätzungen etwa 65.000 der 80.000 Herero und 10.000 der 20.000 Nama ums Leben. Historiker sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Nach der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika im Jahr 1990 hatten die Vereinigte Evangelische Mission und die deutschen evangelischen Kirchen ihre Schuld bekannt und um Vergebung gebeten.

14. August 2004


Der Beitrag von Bischof Huber im Wortlaut:

Bischofswort für den 14. August 2004 / RBB 88acht

"Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Vor hundert Jahren fand die Schlacht am Waterberg statt. Im heutigen Namibia, dem damaligen Deutsch-Südwestafrika, wurde am 11. August 1904 der Aufstand der Herero von den deutschen Schutztruppen grausam niedergeschlagen. Die kaiserliche Regierung hatte als Reaktion auf den Aufstand die Vertreibung und Vernichtung der Hereros befohlen. Viele tausend Menschen verloren ihr Leben oder wurden vertrieben. Die historische Forschung bezeichnet diesen kolonialen Krieg heute mit großer Übereinstimmung als Völkermord. Es ist ein dunkles Kapitel in der gemeinsamen Geschichte Deutschlands und Namibias.

Zwar haben sich einzelne Missionare für die Belange der heimischen Bevölkerung eingesetzt, aber durch die Zusammenarbeit mit den Kolonialbehörden ist auch die Kirche mitschuldig geworden. Zur Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 haben die Vereinigte Evangelische Mission und die deutschen evangelischen Kirchen diese Schuld bekannt und die Menschen in Namibia um Vergebung gebeten.

Wer Versöhnung ermöglichen will, muss zur Erinnerung bereit sein. Deshalb unterstützt die Evangelische Kirche in Deutschland Gedenkveranstaltungen in Namibia und Deutschland. Ebenso fördert sie Ausstellungen, die das damalige Geschehen deutlich machen.

Versöhnung setzt voraus, dass Opfer und Täter - in diesem Fall ihre Nachkommen - miteinander reden und vergangene Schuld eingestehen. Es geht darum, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und für eine gemeinsame friedliche Zukunft zu arbeiten. Verschweigen oder Beschönigen auch einer lange zurückliegenden Schuld hilft nicht weiter. Das ist nicht nur eine Erkenntnis der Bibel und des christlichen Glaubens, sondern auch eigene Erfahrung, gerade von uns Deutschen.

Sowohl für die Zukunft als auch für ein friedliches Zusammenleben der Menschen insbesondere in Namibia ist es unabdingbar, sich zu erinnern. Aber auch für uns und unsere Zusammenarbeit mit Afrika ist dieses Erinnern wichtig. Angesichts der grauenhaften Konflikte und schwersten Menschenrechts-verletzungen im heutigen Afrika, besonders im Sudan, verstummt jegliche Überheblichkeit oder erst jede Gleichgültigkeit, wenn wir uns bewusst machen, dass der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts von Deutschen auf dem afrikanischen Kontinent verübt wurde. Erinnern und Schuld bekennen heißt deshalb auch, sich an der Verantwortung für die Folgen zu beteiligen, in Namibia ebenso wie in anderen Ländern.

Die Verbrechen, die nun 100 Jahre zurückliegen, können nicht ungeschehen gemacht, auch nicht „wiedergutgemacht“ werden.  Aber wir Deutschen haben eine besondere Verantwortung dafür, dass die Folgen dieser Verbrechen, die bis heute Teile der Bevölkerung Namibias belasten, überwunden werden.

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen und gesegneten Sonntag: Bleiben Sie behütet!"