Sachsen: Landesbischof übt Kritik an Bereicherung der Eliten

Dresden (epd). Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl hat Verständnis für die Ängste vor den anstehenden Sozialreformen geäußert. In Sachsen gebe es viele Menschen, die seit 14 Jahren in der Arbeitswelt nicht mehr Fuß gefasst hätten, sagte der evangelische Theologe, der die elftgrößte deutsche Landeskirche leitet, in einem epd-Gespräch. Zugleich sprach sich Bohl dafür aus, an der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform festzuhalten.

Viele Menschen hätten sich damit abgefunden, von Unterstützungsleistungen zu leben. Jetzt entstehe der Eindruck, dass ihnen «das Wenige» auch noch genommen werden solle, so Bohl. Diese Ängste sollten ernst genommen werden. 380.000 Menschen, das seien neun Prozent der sächsischen Bevölkerung, könnten Arbeitslosengeld-II-Bezieher werden.

Erschwerend für die notwendigen Veränderungen sei, dass sich Teile der deutschen Eliten in den vergangenen Jahren in beispielloser Weise bereichert hätten, sagte der 54-jährige. Dadurch sei das elementare Empfinden für Gerechtigkeit verletzt worden. Die «Exzesse» bei den Managergehältern hätten dem sozialen Zusammenhalt enorm geschadet und die Stimmung zusätzlich aufgeheizt. Die Gehälter sollten auf ein «menschliches Maß» zurückgeführt werden.

Zugleich sprach sich der sächsische Bischof für die Beibehaltung der Hartz-IV-Reformen aus. Deutschland sei durch die hohe Arbeitslosigkeit in einer tiefen Krise. Die Reformen hätten schon vor zehn Jahren angegangen werden müssen. So hätten 1991 noch 47 Prozent der Menschen in Sachsen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdient, 2003 seien es noch knapp 39 Prozent gewesen. Das sei die eigentliche Katastrophe.

Die Kosten der Arbeit müssten sinken und die Sozialsysteme stärker steuerfinanziert werden. Solange diese Probleme nicht gelöst seien, helfe Hartz IV nicht, auch wenn die Reform die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung senken helfe, so der Theologe.

Angesichts der Reformen warnte Bohl vor einer um sich greifenden Hysterie. Durch sie würden die etwa 130.000 erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger in Sachsen ausnahmslos besser gestellt. Sie könnten jetzt 20.000 statt 1.500 Euro an Sparguthaben besitzen. Für einen großen Teil der 250.000 Arbeitslosenhilfebezieher werde sich nur wenig ändern, weil ihre Bezüge ohnehin niedrig seien. Ein anderer Teil werde allerdings schlechter dastehen.

Zu begrüßen seien außerdem die künftigen Nebenverdienstmöglichkeiten bis zu einem Gesamteinkommen von 1.000 Euro. Damit werde die strikte Trennung zwischen Transfer- und Erwerbseinkommen endlich gelockert.

12. August 2004