Bischof Huber im RBB zur Fußball-EM und zum "Wunder von Bern"

Bischofswort im RBB 88,8

"Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Drei Wochen lang hat die Fußball-Europameisterschaft in Portugal viele Menschen in ihren Bann gezogen. Die Länderspiele zwischen den bekannten Favoriten und den neuen Hoffnungsträgern bestimmten manchen Abend und viele Gespräche am Tag danach. Die Idee des sportlichen Wettkampfes ist seit jeher mit den Grundsätzen von Fairness und Friedlichkeit verbunden. Nicht immer haben die Spiele und die Reaktionen der Fans dieses Ideal erkennen lassen. Aber Mannschaften, die nicht zu den Favoriten gehörten, sind über sich hinaus gewachsen. Kleinere Länder in Europa haben ihre Ebenbürtigkeit gezeigt. Das kann weiterwirken.

Morgen nun wird das Endspiel die Europameisterschaft beenden. Ob die Organisatoren es absichtsvoll so geplant haben, dass das Finale auf den 50. Jahrestag des Wunders von Bern fällt, durch das Deutschland Fußballweltmeister geworden ist?

Ich erinnere mich gut: Noch keine zwölf Jahre war ich am Tag von Bern. Die Schulferien brachte ich bei meiner Großmutter zu. Klapprig habe ich das Radiogerät in Erinnerung, zu dem es keine Alternative gab; mit einem merkwürdigen eierschalfarbenen Stoff war der Lautsprecher überzogen, vor dem wir saßen, nein hingen – meine achtzigjährige Großmutter je länger desto mehr genauso gebannt wie ich. Helmut Rahns „erlösendes“ Tor: auch ich spürte, dass es eine Tür aufstieß. Wir Jungen hatten wieder Helden, zu denen wir uns ohne Scheu und ohne Scham bekennen konnten. Keinen unter uns gab es, der die Mannschaftsaufstellung nicht mit nachtwandlerischer Sicherheit aufsagen konnte. Noch heute weiß ich sie alle im Schlaf, von Toni Turek bis zu Helmut Rahn.

Neulich wurde ich gefragt, ob man für den Sieg einer Mannschaft auch beten darf. Ich habe dies ausdrücklich bejaht. Sollte es einen Bereich geben, in dem wir uns nicht in unseren Wünschen und Hoffnungen Gott anvertrauen können? Beim Beten gibt es keine Zensur. Ganz unmittelbar können wir alles, was uns bedrückt und erfreut, vor Gott bringen.

Auch für Sportlerinnen und Sportler ist es wichtig, einen Raum zu haben, in dem sie sich mit ihrer Hoffnung auf Sieg wie mit ihrer Angst vor einer Niederlage Gott anvertrauen können. Zum neuen Berliner Olympiastadion, das Ende Juli eingeweiht wird, wird auf Initiative unserer Kirche deshalb auch eine Kapelle gehören. Im Herzen des Stadions hat sie einen guten Ort. Auf dem Weg ins Stadion kommen die Spieler direkt an ihr vorbei. Ihre Ausstattung wird zunächst nur provisorisch sein. Eine große Spendenaktion soll dann die Kunstwerke finanzieren, die für die Kapelle angefertigt werden. Außerhalb der Spielzeiten ist sie auch für Besichtigungen und als Ort des Gebets allgemein  zugänglich. Natürlich kann man in ihr auch sein Kind taufen lassen oder heiraten. Vielleicht nehmen Sie sich einmal Zeit, die Kapelle zu besuchen.

Ich wünsche Ihnen morgen einen spannenden Fußballabend, vor allem aber einen gesegneten Sonntag: Bleiben Sie behütet!"

03. Juli 2004