Theologin Parmentier: "Osterweiterung als Chance nutzen"

Straßburg (epd). Die EU-Osterweiterung kann nach Einschätzung der geschäftsführenden Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, Elisabeth Parmentier, auch den innerprotestantischen Zusammenhalt stärken. Die Versöhnung zwischen Ost und West führe den Protestantismus zu seinen geistigen Wurzeln in Osteuropa zurück, sagte die Professorin für Praktische Theologie an der Straßburger Universität in einem epd-Gespräch.

Protestanten aus Osteuropa könnten der Kirchengemeinschaft neue Akzente geben, wie ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl und eine engere Kirchenbindung und Spiritualität, sagte die lutherische Theologin. Die vergrößerte Union bringe allerdings nicht viele Protestanten nach Europa. Die Erweiterung biete den Kirchen dennoch die Chance, sich häufiger bei sozialen oder ethischen Fragen einzumischen. Zudem könne sie zu einem stärkeren Zusammenhalt der Evangelischen führen.

Um sich in Europa besser Gehör zu verschaffen, seien die protestantischen Kirchen zu einem verbindlicheren gemeinsamen Engagement gefordert. In wichtigen Fragen wie dem Flüchtlings- oder Minderheitenschutz, der Migration und der Friedenssicherung müssten Protestanten in Europa «mit einer Stimme sprechen», sagte Parmentier. Noch gebe es keine wirkliche protestantische Kirchengemeinschaft, in der die einzelnen Kirchen füreinander Verantwortung übernehmen. Bisher bestehe nur eine «friedliche Koexistenz». Die Vielfalt der Stimmen erschwere eine effektive christliche Lobbyarbeit.

Deshalb müssten die Kirchen in Europa verstärkt evangelisches Profil zeigen. Die Bedeutung des christlichen Glaubens für die Gesellschaften müsse hervorgehoben werde. Die kirchliche Gemeinschaft könne nur vertieft werden, wenn Kirchen theologische Entscheidungen nicht allein, sondern im Kreis der «protestantischen Familie» träfen, betonte Parmentier.

Regionale Kirchengemeinschaften sind für die gebürtige Lothringerin der erste Schritt, um die Einheit der protestantischen Kirchen in Europa voranzubringen. «Gemeinschaft muss von unten wachsen und sich ausbreiten und darf nicht von oben angewiesen werden», so die Theologin.

11. Juni 2004