Bischof Huber: Barmer Erklärung ist protestantischer Schlüsseltext

Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat die am 31. Mai 1934 verabschiedete Barmer Theologische Erklärung als protestantischen Schlüsseltext gewürdigt. Sie sei auch 70 Jahre nach ihrem Entstehen in der Zeit des Nationalsozialismus eine hervorragende Quelle evangelischer Orientierung, sagte Huber dem epd in Hannover.

Die von der Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen beschlossene Erklärung gilt als zentrales Dokument des Kirchenkampfes in der NS-Zeit. Mit ihr hatten sich evangelische Christen von der deutschnationalen Theologie der Deutschen Christen abgegrenzt. Heute gehört der Text zu den wegweisenden Glaubenszeugnissen der Kirche im 20. Jahrhundert.

Mit der Barmer Erklärung hätten evangelische Christen auch deutlich den unbeschränkten Machtanspruch der nationalsozialistischen Diktatur abgewiesen, fügte Huber hinzu. Daher sei sie auch ein «Dokument evangelischer Freiheit». Es erinnere alle, die politischen Repräsentanten nicht weniger als die Staatsbürger, an ihre Verantwortung vor Gott und an ihre gemeinsame Pflicht, für Recht und Frieden einzutreten, so der evangelische Theologe und Sozialethiker.

In den Barmer Thesen findet sich kein Wort zur NS-Rassenpolitik. Dazu bilanziert Huber: «Aus heutiger Sicht wäre jedoch sehr zu wünschen, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem einen Wort Gottes sich damit verbunden hätte, dass dieser Jesus Jude war.» Die Kirche als Ganze habe erst spät versucht, das Versäumte nachzuholen, zum Beispiel 1936 in einer Denkschrift der Bekennenden Kirche an Hitler. «Aus heutiger Sicht muss man sagen: Die Wirkung blieb zu schwach.»

Die Barmer Theologische Erklärung kann man Huber zufolge als Auslegung des ersten Gebots verstehen. Dieses Gebot, «Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir», werde zum Beispiel auch da verletzt, wo der persönliche Besitz oder der wirtschaftliche Erfolg wie ein Götze verehrt wird.

28. Mai 2004