Huber vermisst «positives Signal» vom Islam

Hannover (epd). Der Berliner Bischof Wolfgang Huber vermisst «ein positives Signal führender islamischer Geistlicher» für den Wert jedes Menschenlebens. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte in einem Gespräch mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, im Augenblick sei nicht zu erkennen, dass das Tötungsverbot gemeinsame Überzeugung aller monotheistischen Religionen sei. Das müssten auch die Predigten in den Moscheen zum Ausdruck bringen.

Der oberste Repräsentant von rund 26,5 Millionen Protestanten bedauerte, dass sich die intellektuellen und geistlichen Führer des Islam im gegenseitigen Austausch «bedeckt» hielten. Er wünsche sich einen ehrlichen Austausch, in dem die Unterschiede zum Christentum angesprochen werden. Dazu gehöre die unterschiedliche Haltung zur Person Jesus Christus und zu seiner Auferstehung. In der gegenwärtigen angespannten Situation müsse man den «Scheindialog» überwinden, in dem beide Seiten nur ihren guten Willen betonen, sagte Huber.

09. April 2004


Der Beitrag in der HAZ im Wortlaut:

„Ich wünschte mir ein positives Signal vom Islam“

Im Gespräch

Bischof Wolfgang Huber

Mit Sorge betrachtet Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Zunahme islamistischer Terrorakte. Die islamische Geistlichkeit sollte sich öffentlich gegen den Terror wenden.

Ich wünsche mir nicht nur ein distanzierendes Signal von der Gewalt“, meint Bischof Huber, „sondern ein positives Signal führender islamischer Geistlicher, dass sich das Eintreten für Gott immer verbindet mit dem Eintreten für jeden Menschen, für jedes Menschenleben.“ Denn das Gebot „Du sollst nicht töten“ gelte für den Islam ebenso wie für die anderen beiden monotheistischen Weltreligionen, das Christen- und das Judentum, sagt Huber, der als Ratsvorsitzender der EKD die erste Stimme des Protestantismus in Deutschland ist.

 „In den Predigten bei den Freitagsgebeten in den Moscheen müsste zum Ausdruck gebracht werden, dass für Menschen, die in Treue zum Islam stehen, das Tötungsverbot genauso gilt wie für uns“, sagt der Berliner Bischof. Da brauche man eine gemeinsame Überzeugung aller monotheistischen Religionen - „die ist aber leider im Augenblick nicht zu erkennen“.

Huber wünscht sich einen ehrlichen Austausch mit den intellektuellen, geistlichen Führern des Islam, die sich leider meist bedeckt hielten. Für Christen wie auch Muslime sei es wichtig, in dieser angespannten Situation den „Scheindialog“ zu überwinden. Interreligiöse Gespräche, in denen nur der gute gegenseitige Wille betont, die Unterschiede aber nicht angesprochen werden würden, brächten wenig. „Die vollkommen unterschiedliche Haltung zur Person Jesu Christi muss zur Sprache kommen. Und wenn das, was wir Christen als Auferstehung bezeichnen, nicht angesprochen wird, bleibt der Dialog hohl.“

Fatal findet Huber, dass bei den islamischen Selbstmordattentätern die Vorstellung, ein Märtyrer zu sein und sein eigenes Leben zu opfern, so überhöht wird, „dass der Skandal verdrängt wird, dass man einen Menschen ums Leben bringt“. Natürlich werde man in einem Gespräch über die geistigen Ursachen für islamischen Fundamentalismus auch in manchen christlichen Gruppierungen ähnliche Strukturen finden können, vor allem in Amerika. „Aber in Europa haben wir nach leidvollen Erfahrungen solche Positionen überwunden.“

Einen Wertewandel wünscht sich der EKD-Ratsvorsitzende auch bei einem ganz anderen Thema: Wie wird Deutschland kinderfreundlicher? Huber meint, das Land brauche einen doppelten Paradigmenwechsel „hin zur Bildung, hin zu den Kindern“. So müsste der Staat die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder ausbauen. Das aber reiche allein noch keineswegs aus. Neben gesellschaftspolitischen Maßnahmen müsse ein „großer Wandel im Denken und Handeln aller“ geschehen: „Wir müssen uns klar machen, dass Kinder ein reicheres und hoffnungsvolleres Leben versprechen - wir brauchen eine Neuausrichtung auf ein Familienethos“, sagt der Bischof, der selbst Vater dreier erwachsener Kinder ist. Zu lange habe man Kinderkriegen nur als Einschränkung der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten verkannt.

 „Wie wir mit Kindern umgehen, ist eine Zukunftsfrage.“ Huber empfindet es als bedrückend, dass Deutschland mittlerweile bei der Geburtenrate unter 190 Ländern auf Platz 185 steht. „Da schlägt die Individualisierung in eine fatale Verzagtheit um.“ Der Bischof wünscht sich hier mehr Zuversicht. Die lasse sich aus dem Osterglauben speisen. „Dass sich Frühlingsgefühle und Osterbotschaft verbinden, ist kein Zufall.“

Michael B. Berger

Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 8. April