Abschied vom Zauber der Jahrmärkte

Der Schaustellerpfarrer Klaus Biehl geht in den Ruhestand

Von Dieter Sell

Bremerhaven (epd). Wer auf seine «Loby» verzichtet, ist entweder «nabloh» oder «schicker» - der ehemalige evangelische Circus- und Schaustellerpfarrer Klaus Biehl versteht den Satz, denn er spricht die geheime Sprache der Schausteller. «Loby heißt Tageseinnahme, nabloh verrückt und schicker angetrunken», übersetzt der Seelsorger.

Mehr als 25 Jahre lang besuchte Biehl zusammen mit seiner Frau Margit die «Inseln der Verzauberung» - Volksfeste, Circusse und Jahrmärkte. Eine Generation lang war der mittlerweile dienstälteste Schausteller-Seelsorger Deutschlands unterwegs, um seine Gemeinde zu trauen, zu taufen und zu konfirmieren. Und auch Beerdigungen gehörten dazu.

Seit seinem Dienstantritt 1978 waren das Riesenrad, die Manege, die Scooter-Platte, die Schießbude und das Bierzelt seine Kirche. Ob Schlechtwetter, Scheidung oder Schulden die Stimmung auf den Märkten prägten: «Die Türen waren für uns offen, wir mussten nur durchgehen», erinnert sich der gebürtige Ostdeutsche.

Für die Schausteller ist er bis heute «unser Pfarrer». Mit seinen drei «lebenswichtigen Büchern» - Landkarte, Volksfestkalender und Bibel - fuhr er von seinem Haus in Loxstedt bei Bremerhaven aus jährlich an 200 Tagen jeweils 42.000 Kilometer. Nun ist er in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr dienstlich unterwegs. Aber auf den Karussells in Nordwestdeutschland darf das Ehepaar auf Lebenszeit kostenlos fahren.

Biehl wurde 1939 in Halle geboren und absolvierte in Berlin seine Ausbildung zum Diakon. In den 60er Jahren war er Stadtmissionar in Magdeburg und später Landesjugendwart in Mecklenburg, bevor er die Seelsorge der Circusleute und Schausteller in der Region Ost übernahm. Nach der Wende berief ihn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 1995 als Schaustellerseelsorger und seine Frau Margit als Gemeindehelferin in die Region Nord.

Es habe ihm Freude bereitet, «das Wort Gottes umzusetzen in kleine Münze, auf Plätzen, wo man es zunächst nicht vermutet». Das tat er oft unkonventionell und immer in weißem Talar. Zuweilen stritt er auch mit Bürgermeistern und Ordnungsämtern für seine Gemeinde.

Soziale Hilfe leistet der 65-Jährige noch immer mit dem von ihm gegründeten «Verein der Circus- und Schaustellerseelsorge zur Förderung und Betreuung von Schaustellerkindern». Parallel zu 25 Volksfesten organisiert er jährlich mit 60 Angestellten mobile Kindergärten, damit die Schausteller ihren Nachwuchs gut versorgt wissen und den Kopf für ihre Arbeit frei bekommen.

«Das Gute an ihm ist, wenn man ihn braucht, ist er zur Stelle, und kein Weg ist ihm zu weit», schreibt die 14-jährige Schaustellertochter Katja über Biehl in einem Aufsatz über «einen Menschen, der mich beeindruckt hat». Schon als sie klein gewesen und ihre Eltern wenig Zeit für sie gehabt hätten, «opferten er und seine Frau ihre Freizeit, gingen mit uns in vielen Städten in die Museen, bastelten, malten und spielten mit uns».

Seit mehr als 30 Jahren betreut die EKD mit ihrer Circus- und Schaustellerseelsorge etwa 23.000 evangelische Gemeindemitglieder in allen Bundesländern. Drei Pfarrer fahren zu Gottesdienstfeiern auf Volksfesten und im Circuszelt, besuchen Familien und organisieren mehrtägige Seminare für Konfirmandinnen und Konfirmanden. Pfarrerin Regina Hallmann aus München soll am 1. Mai die Nachfolge von Klaus Biehl in der Region Nord antreten.

07. April 2004