Diakonie-Chef Jochen Bohl zum sächsischen Bischof gewählt

Dresden (epd). Der Direktor des Diakonischen Werkes in Sachsen, Jochen Bohl, ist am Samstag in Dresden zum künftigen Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gewählt worden. Der 53-jährige Oberkirchenrat löst damit Landesbischof Volker Kreß (64) ab, der nach über zehnjähriger Amtszeit Ende Juni in den Ruhestand geht.

Von den 85 Mitgliedern des Wahlgremiums votierten im vierten Wahlgang 43 für Bohl, der damit knapp die erforderliche absolute Mehrheit erreichte. 40 Stimmen entfielen auf den Moritzburger Theologieprofessor Johannes Berthold. Zwei der Wahlberechtigten enthielten sich der Stimme. Der Rektor der Moritzburger Fachhochschule, Professor Peter Meis, hatte nach dem dritten Wahlgang auf eine weitere Kandidatur verzichtet.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, gratulierte Bohl zu seiner Wahl. Er möge getrost und unverzagt in sein neues Amt gehen, schrieb Huber.

Der aus Lüdenscheid in Westfalen stammende Bohl ist seit 1995 Chef der sächsischen Diakonie, in deren Einrichtungen rund 16.000 Mitarbeiter tätig sind. Er hat in Wuppertal, Marburg und Bochum Theologie studiert und war nach seiner Ordination von 1978 bis 1986 Pfarrer im westfälischen Aplerbeck. Danach leitete er neun Jahre das Evangelische Jugendwerk an der Saar.

Der Landesbischof ist leitender Geistlicher der sächsischen Landeskirche, der etwa 900.000 lutherische Christen angehören. Bohls Amtseinführung und die Verabschiedung des scheidenden Bischofs Kreß ist für den 26. Juni in Dresden vorgesehen.


Porträt:

Bischof mit Managerqualitäten - Mit Oberkirchenrat Jochen Bohl übernimmt ein Sozialexperte das sächsische Bischofsamt

Von Marius Zippe

Dresden (epd). Der neue sächsische Bischof Jochen Bohl ist kein Schwarzmaler. Vor seiner Wahl hat der 53-Jährige bei Vorstellungsrunden die Situation der sächsischen Landeskirche mehrfach als «erfreulich» charakterisiert. «Ich sehe starke und lebendige Gemeinden», äußerte der sächsische Diakoniechef zur Überraschung all jener, die auf Grund geplanter Kürzungen und rückläufiger Mitgliederzahlen schwere Zeiten für die Kirche befürchten.

Als Chef der sächsischen Diakonie mit 16.000 Mitarbeitern hat sich Bohl einen unverstellten Blick für Realitäten bewahrt. Dem erforderlichen Strukturwandel könne die Kirche nicht mehr ausweichen, hat er mehrfach gesagt und auch gleich Vorschläge gemacht: Warum sollten Pfarrer nicht auch ehrenamtlich arbeiten oder Rentner verstärkt zur Kasse gebeten werden, zumal sie ja keine Kirchensteuer zahlen.

Der Westfale galt schon lange als Anwärter für das sächsische Bischofsamt. Seinen Abstimmungserfolg dürfte er nicht zuletzt auch der Erwartung seiner Wähler verdanken, dass er als versierter Manager die anstehende Strukturreform der Landeskirche kenntnisreich begleiten könnte.

Zugleich verbinden sich mit Bohl auch Hoffnungen auf eine professionelle Vertretung der Kirche nach außen. In der Synode - der er selbst angehört - hat er sich mit seinen jährlichen Diakonie-Berichten, aber auch mit engagierten Wortmeldungen seit langem Anerkennung verschafft.

Mit Offenheit ist er auch den Medien immer wieder begegnet. Bohl selber plädiert dafür, dass sich die Kirche als größte organisierte Kraft im Land nicht nur auf Seelsorge beschränken darf, sondern auch zu gesellschaftlichen Vorgängen und Entwicklungen Stellung nehmen muss.

Seit 1995 lebt der Vater dreier Söhne und trainierte Langstreckenläufer in Sachsen, wo er sich inzwischen zu Hause fühlt. Der gebürtige Lüdenscheider hat in mehreren westdeutschen Städten evangelische Theologie studiert. Nach seiner Ordination war er von 1978 bis 1986 Pfarrer in Dortmund-Aplerbeck, wo ihm die direkte, klare Sprache der Kumpel im Ruhrgebiet imponierte. Später leitete er das Evangelische Jugendwerk an der Saar.

Als stellvertretender Landessprecher der saarländischen Grünen unternahm er 1993 einen kurzen Ausflug in die Politik. Doch der zähe, vor allem von persönlichen Interessen geprägte Betrieb war nichts für den geradlinigen Bohl. Zumindest habe er, wie er sagt, nach seiner Zeit bei den Grünen einen neuen Blick auf die Kirche gewonnen. Hier sei die Zahl der Menschen einfach größer, die an einem gemeinsamen Erfolg interessiert seien.

Als Wessi im Osten habe er nie Probleme gehabt, sagt Bohl. Der Versöhnungsgedanke war ihm immer wichtig. Und so war er schon in den 80er Jahren mit Jugendgruppen nach Israel, Polen und die DDR gefahren.

29. März 2004