Alfred Buß übernimmt westfälisches Präses-Amt

Mit ganzer Kraft für eine Kirche im Aufbruch

Von Ingo Lehnick

Unna (epd). Alfred Buß will keine jammernde und klagende Kirche. Die Christen müssten aufbrechen «zu den Lebensorten der Menschen» und das Evangelium zeitgemäß verkünden, statt über gesellschaftliche Veränderungen zu lamentieren, sagt der evangelische Theologe. An prominenter Stelle kann sich der 56-Jährige künftig für eine solche «Kirche im Aufbruch» einsetzen: Buß übernimmt am Sonntag in Bielefeld das Präses-Amt der knapp 2,7 Millionen Mitglieder zählenden Evangelischen Kirche von Westfalen.

Nach zehn Jahren als Superintendent des Kirchenkreises Unna freut sich Buß auf die neue Herausforderung. Und er hat sich einiges vorgenommen. Um die knappe Zeit auszunutzen, wird der Dienstwagen des Präses erstmals ein VW-Bus mit kleinem Büro sein, in dem der leitende Theologe der viertgrößten Landeskirche auch mal unterwegs seine E-Mails abrufen oder kleine Konferenzen abhalten kann.

Denn über den Präses-Alltag macht sich der erfahrene Kirchenmann keine Illusionen: Bei der Fülle der Termine und Erwartungen werde er «in den nächsten Jahren wenig Zeit haben, das zu pflegen, was mir an persönlichen Dingen wichtig ist». Zum Beispiel laufen, wandern oder mit dem jüngsten Sohn ins Fußball-Stadion gehen.

Nach dem Motto «Wer nie genießt, wird bald ungenießbar» will der Mann einer Gymnasiallehrerin und Vater von drei Kindern im Alter von 16, 25 und 28 Jahren aber eine Tradition auf jeden Fall pflegen: die jährliche Radtour mit zwei, drei Freunden an einem Fluss entlang. In diesem Jahr soll es die Elbe sein.

In seinem neuen Amt will sich Buß dafür einsetzen, dass die Veränderungen, vor denen die Kirche durch weniger Mitglieder und sinkende Einnahmen steht, nicht als Abbau verstanden werden. Es gehe um eine Anpassung an die Strukturen. Zur Moderation und Leitung dieses schwierigen Prozesses wählte die westfälische Landessynode im November bewusst einen profilierten Vertreter aus ihren eigenen Reihen.

Denn der aus Ostfriesland stammende Buß steht für Bekanntes und Bewährtes. Der groß gewachsene, bärtige Mann kenne «den Laden» und strahle eine «gelassene Frömmigkeit» aus, urteilt ein leitender Theologe. Seine westfälische Bodenständigkeit und menschliche Wärme täten der Kirche in der Umbruchsituation gut. Positiv kommt auch an, dass er kein Einzelkämpfer ist: «Wir werden diese Kirche gemeinsam durch schwierige Gewässer steuern», sagte er bei seiner Wahl.

Buß gilt seit Jahren als Vertreter einer Kirche, die sich politisch einmischt und Position für die Schwachen bezieht. Den Christen müsse «die Option für die Armen im Alltag» abgespürt und abgenommen werden, sagt der Theologe, der 1996 die Leitung des Ausschusses für politische Verantwortung der westfälischen Kirche übernahm. In einem epd-Interview forderte er zuletzt, die «wirklich Reichen» müssten stärker an den Kosten der Gesellschaft beteiligt werden.

Bielefeld kennt Buß bereits aus seinem Studium in Bethel. Nach dem Vikariat war er zunächst Studienleiter beim Evangelischen Studienwerk Villigst und anschließend 13 Jahre Pfarrer einer Bergarbeitergemeinde in Unna-Königsborn. Ab 1988 leitete er die regionale Arbeitsstelle der westfälischen Kirche für den Ruhrgebiets-Kirchentag 1991. Nach einer Zeit als Berufsschulpfarrer wurde Buß 1994 Superintendent des Kirchenkreises Unna. Zehn Jahre später übernimmt er nun die Regie der westfälischen Kirche.

25. Februar 2004