Huber: Miteinander der Generationen hat Priorität für Gesellschaft

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, kritisiert die Spitzengehälter von Managern. Es sei sozialethisch fraglich, ob «zum Teil ziemlich maßlose Steigerung» von Einkünften in die Zeit hoher Arbeitslosigkeit passe, sagte der Berliner Bischof in einem epd-Interview. Während es bei Minijobs oder sinkenden Niedriglöhnen heiße, anderes ließe sich nicht mehr bezahlen, scheine das für den Spitzenbereich nicht zu gelten, erklärte der Theologe mit Blick auf den Düsseldorfer Mannesmann-Prozess.

Huber sprach sich für die Ausbildung einer Verantwortungselite «jenseits von Standesdünkel oder Besitzstandsdenken» aus. Die Hochschulen dürften allerdings erst dann in den «edlen Wettstreit» um die geplante Elite-Ausbildung treten, wenn alle Studierenden generell «einen ausreichend ausgestatteten Studienplatz mit der dazu gehörenden Lehre und individuellen Förderung vorfinden». Der gleiche Zugang zu Bildungschancen und der Wettbewerb um Qualität müssten miteinander verbunden werden. «Davon sind wir nach meinem Urteil meilenweit entfernt», sagte der Theologieprofessor.

Der EKD-Ratsvorsitzende, der vor 100 Tagen sein Amt angetreten hat, will die Auswirkungen des Alterswandels auf Kirche und Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen. Dabei werde die Reformdebatte im Vordergrund stehen. Ein Arbeitsschwerpunkt sei es, «Mut zu Reformen zu machen und dabei Mund der Stummen und Anwalt der Schwachen zu sein», sagte er.

In der Reformdiskussion zeige sich, dass die Stellungnahmen der Kirche nicht immer von der Politik «eins zu eins umgesetzt» werden. Dies gelte auch für die Debatte um Zuwanderung und Asylrecht. «Nicht in allen Themen gelingt es, zur Übereinstimmung zu kommen», räumte der höchste Vertreter von mehr als 26 Millionen Protestanten in Deutschland ein.

Zur Debatte um das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen, bei der prominente evangelische Christen unterschiedliche Positionen bezogen haben, hob Huber hervor, dass übereinstimmend die Religionsfreiheit und ihre Ausstrahlung in den öffentlichen Raum der Ausgangspunkt sei. «Das persönliche Bekenntnis des einzelnen - auch der Lehrerin und des Lehrers - hat durchaus auch in der Schule seinen Ort», sagte der Bischof. Aber es unterliege dem Gebot der Mäßigung.

Der EKD-Ratsvorsitzende sprach sich für weitere Strukturreformen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland aus. Die Fusion seiner Berlin-brandenburgischen Kirche mit den Protestanten der schlesischen Oberlausitz zum Jahreswechsel bezeichnete er als ermutigend, aber nicht unbedingt als Modell. «In den unterschiedlichen Begebenheiten müssen jeweils die passenden Wege gefunden werden», sagte der Theologe angesichts 23 evangelischer Landeskirchen sehr unterschiedlicher Größe, meist in Grenzen des 19. Jahrhunderts.

Er hoffe, dass es gelinge, das Reformtempo zu steigern. Die Kirche müsse den Eindruck vermeiden, Strukturfragen zum Anlass andauernder Selbstbeschäftigung zu nehmen. «Strukturfragen sind wichtig, der Verkündigungsauftrag der Kirche ist aber weit wichtiger», sagte Huber.

11. Februar 2004