Evangelikale Christen in den USA werben für Jesus-Film

Kreuzigung im Detail auf der Leinwand - Evangelikale Christen in den USA werben für Jesus-Film - Antisemitismus-Vorwürfe gegen Mel Gibson

Von Konrad Ege (epd)

Washington (epd). Das hat es wohl noch nie gegeben: Evangelikale Pastoren empfehlen ihren Jugendgruppen einen Film, in dem ein Mensch langsam zu Tode gefoltert wird. «The Passion of the Christ» stellt die letzten zwölf Stunden Jesu und die Kreuzigung im Detail dar. In den USA kommt der Film am 25. Februar, dem Aschermittwoch, in die Kinos. In Deutschland soll das Werk, das in aramäischer Sprache gedreht ist, am Gründonnerstag anlaufen. Regisseur ist der wegen seiner Action-Filme («Lethal Weapon») bekannt gewordene Mel Gibson.

Hinter verschlossenen Türen hat der traditionalistische Katholik Gibson die Passionsgeschichte bereits Tausenden überwiegend evangelikalen Pastoren vorgeführt. Viele sind anscheinend begeistert. Es sei, als habe Gott den Christen etwas in den Schoß gelegt, das ein «geistliches Wiedererwachen» auslösen könnte, sagte der Vorsitzende der Baptisten, Morris Chapman.

«The Passion» wird schon jetzt in den USA heftig diskutiert. Nach Ansicht jüdischer Verbände und mancher Theologen bedient der Film auch antisemitische Vorurteile. Die Juden würden für die Kreuzigung verantwortlich gemacht, kritisieren sie. Abraham Foxman, Direktor des jüdischen Bürgerrechtsverbandes «Anti-Defamation League of B'nai B'rith», befürchtet, der Film werde «Vorurteile und Antisemitismus anheizen».

Zudem habe Gibson in einem Interview der Zeitschrift «Reader's Digest» die «Einzigartigkeit des Holocaust» der Juden relativiert, sagt der Rabbiner Marvin Hier vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles. Ohne Zweifel habe der Holocaust stattgefunden, sagte Gibson nach Presseberichten auf eine entsprechende Frage: «Krieg ist schrecklich. Der Zweite Weltkrieg hat viele Millionen getötet. Manche von ihnen waren Juden in Konzentrationslagern». In der Ukraine seien 1932 und 1933 Millionen verhungert, und im vergangenen Jahrhundert seien in der Sowjetunion 20 Millionen Menschen getötet worden.

Rabbiner Hier protestierte in einem Brief an Gibson: Die ermordeten Juden nur «nebenbei» zu erwähnen, diene letztendlich den Holocaust-Leugnern. Ein Sprecher Gibsons erklärte, der Regisseur wisse Bescheid über den Holocaust und habe darüber «Tränen vergossen». Zahlreiche Evangelikale nehmen Gibson in Schutz. Er sei nicht antisemitisch eingestellt, und der Film sei bibeltreu.

«The Passion» könne die «verlorenen Amerikaner», die dem Evangelium gegenüber «immun» gewesen seien, dazu bringen, sich zum ersten Mal mit Jesus Christus auseinander zu setzen, freut sich der Baptist Chapman. Der «Südliche Baptistenverband», die größte protestantische Kirche der USA, bietet Gemeinden Bücher, Schriften und eine Internet-Website (http://www.passionchrist.org/ an, um beim Missionieren mit dem Film zu helfen.

Christliche Kritiker des Films geben zu bedenken, dass Gibson den falschen Schwerpunkt setze. Die Evangelien berichteten nur ganz kurz über die Kreuzigung, stellte die orthodoxe christliche Autorin Frederica Mathewes-Green im Internet-Informationsdienst «beliefnet.com» klar. Die frühen Christen hätten sich nicht auf das Leiden konzentriert, um Mitleid zu erregen, sondern auf die Erlösung der Menschheit durch das Leiden.

Der Theologe John Dominic Crossan (DePaul Universität, Chicago) kritisierte Werbematerial für den Film, auf dem es heiße, dass Jesus gelebt habe, um für die Menschen zu sterben. Das Gegenteil sei wahr, betonte Crossan. Jesus sei wegen seines Lebens hingerichtet worden. Er habe das Königreich Gottes verkündet, und das römische Reich habe ihn deswegen hingerichtet.