Freiwilliges Soziales Jahr steht hoch im Kurs

«Etwas Schönes und Gutes tun» - Das Freiwillige Soziale Jahr steht bei Jugendlichen hoch im Kurs

Von Stefanie Bock

Frankfurt a.M. (epd). Am 9. Mai ist es 50 Jahre her, dass sich der spätere bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger (1908-1984) an junge Mädchen wandte: «Wagt ein Jahr eures Lebens für die Diakonie!» Die Mädchen sollten freiwillig in sozialen Einrichtungen mitarbeiten, um die dortige Personalnot lindern zu helfen. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), damals noch unter dem Namen Diakonisches Jahr, war geboren.

Die Resonanz auf den Aufruf war zunächst bescheiden. Heute jedoch ist das Interesse größer denn je. 2003 gab es bundesweit 13.400 Freiwillige. Auf die 98 Stellen im Diakonischen Werk in Hessen und Nassau bewarben sich im vergangenen Jahr rund 400 Jugendliche. Während ihres Einsatzes erhalten die Freiwillen rund 150 Euro Taschengeld. Dazu kommen Zuschüsse zur Verpflegung und gegebenenfalls zu den Fahrtkosten.

Kornelia Leinweber arbeitet auf einer der begehrten Stellen. Sie kümmert sich in der Frankfurter Gethsemane-Gemeinde um alte und blinde Menschen. Die 20-Jährige hilft beim Kochen und Spülen, geht mit ihnen einkaufen und spazieren. Vor allem aber hört sie den Menschen zu. Melanie Behling leistet ihren Freiwilligendienst im Krankenhaus Frankfurt-Sachsenhausen. Dort hilft sie auf der Station, teilt Essen aus, misst bei den Patienten den Blutdruck.

Auf die Frage, warum sie ein Soziales Jahr absolvieren, machen die meisten altruistische Gründe geltend. Auch Kornelia und Melanie nennen edle Motive. «Für mich ging es darum, etwas Schönes und Gutes zu tun», sagt Kornelia. Melanie wollte ausprobieren, ob ihr eine praktische Arbeit mit Menschen liegt. «Jetzt weiß ich, dass solch ein Beruf etwas für mich ist», sagt sie.

Ganz nebenbei verbessert Melanie mit ihrem freiwilligen Krankenhaus-Engagement ihre Berufschancen. Ronny Weigand, Schulleiter der Krankenpflegeschule am Krankenhaus Sachsenhausen, bestätigt dies: «Ein FSJ wird bei einer Bewerbung auf jeden Fall positiv bewertet.»

Ingrid Pontzen, FSJ-Referentin im Diakonischen Werk in Hessen und Nassau, berichtet, dass sich bei vielen Jugendlichen angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt die Motive gewandelt haben. «Es geht vielen nicht mehr darum, sich selbst zu verwirklichen oder etwas Gutes zu tun, sondern schlicht ein Jahr zu überbrücken, bis sie eine Lehrstelle oder einen Studienplatz gefunden haben.»

Anfangs hätten sich vor allem Abiturientinnen für das Dienstjahr interessiert. Heute seien zunehmend Haupt- und Realschüler unter den Bewerbern. Diese Veränderung sehe sie mit gemischten Gefühlen, sagte Pontzen, denn jüngeren Bewerbern fehle oft die nötige Reife, um alte oder behinderte Menschen zu betreuen. «Die Belastung ist für einen 15-Jährigen zu hoch», unterstreicht Pontzen.

Neu seien auch die zahlreichen Bewerbungen von jungen Frauen aus Osteuropa. «Die Mädchen, ehemalige Au-pairs, hoffen, dass mit einem FSJ-Engagement ihr Visum verlängert wird», erläutert die Diakoniefachfrau. Dies widerspreche jedoch dem tieferen Sinn des Freiwilligendienstes, nämlich jungen Menschen mit einer «sozialen Neigung» die Möglichkeit zu geben, erste Praxiserfahrungen zu sammeln und nebenher einen Notstand beseitigen zu helfen.

Um auch künftig genügend motivierte Freiwillige zu haben, sind nicht zuletzt attraktive Stellen vonnöten. Dafür wurde bereits einiges getan. Alternativ zum FSJ wird seit 1994 ein Freiwilliges Ökologisches Jahr angeboten. Seit 2002 gibt es zusätzlich Stellen im Sport, in der Kultur und im Ausland.

Gleichzeitig wurde das FSJ zu einer gesetzlichen Alternative zum Zivildienst. Diesen Weg hat Mark Weiß gewählt. Er leistet sein FSJ gerade im Berufsbildungswerk Worms ab. «Für mich war der Dienst bei der Bundeswehr nie ein Thema», sagt Mark. Er habe stattdessen die Zeit vor seinem Studium sinnvoll nutzen wollen.

Vom FSJ habe er erfahren, als er sich nach einem Zivildienstplatz umsah. Bereut hat er seine Entscheidung bislang nicht, auch wenn er weniger Taschengeld erhält als ein Zivildienstleistender.

29. Januar 2004