Alternde Migranten brauchen mehr Angebote

Sozialwissenschaftler fordert interkulturelle Gruppen und warnt vor «Zwangsintegration»

Die steigende Zahl der älter werdenden Einwanderer in Deutschland braucht nach Auffassung von Experten bald mehr Unterstützung. Die Anbieter offener Altenhilfe sollten sich daher mehr für Migranten öffnen, fordert das Kuratorium Deutsche Altershilfe. Ein neues Internetangebot will bei der Vernetzung der Angebote helfen.

Die erste Generation der Gastarbeiter sei mittlerweile im Rentenalter und verbringe ihren Lebensabend in Deutschland, betont Bettina Ellerbrock vom Kuratorium Deutsche Altershilfe in Köln: «Ende 2000 waren 624.054 von ihnen 60 Jahre und älter: Nach einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes wird dieser Personenkreis bis zum Jahr 2030 auf 2,8 Millionen anwachsen.»

Dennoch komme die staatliche Altenhilfeplanung häufig zu dem Ergebnis, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Laut Ellerbrock wird dabei nicht bedacht, dass viele Migranten schon die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und somit nicht in der Statistik auftauchen. Außerdem werde selten einkalkuliert, dass die Einwanderer oft in einem jüngeren Alter als Deutsche die Unterstützung der Altenhilfe bräuchten. Ellerbrock rät zur Kooperation mit Selbsthilfeorganisationen wie Moscheevereinen oder der Gesellschaft für Deutsch-Türkische Freundschaft.

Kontakte zu Selbsthilfeorganisationen sind in dem Themenschwerpunkt «Migranten in der offenen Seniorenarbeit» des «Forum Seniorenarbeit NRW» (http://www.forum-seniorenarbeit.de/) zu finden. In dem umfassenden Internetangebot, das vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützt wird, finden sich Beiträge über die Situation älterer Migrantinnen, Literaturhinweise und Link-Tipps.

Manfred Hielen, Sozialwissenschaftler und Gründer des Ethno-Sozialmedizinischen Zentrums in Duisburg, fordert zwar, Seniorengruppen auch für Muslime zu öffnen, warnt aber vor einer Zwangsintegration. «Was macht eine türkische Frau aus Ostanatolien in einer Altentagesstätte, die im Gelsenkirchener Barock eingerichtet ist und in der deutsche Volksmusik gespielt wird? Sie fühlt sich mit Sicherheit nicht zu Hause.»

Hielen verhehlt nicht, dass der lauter werdende Ruf nach interkulturellen Gruppen in der Altenhilfe vor allem von «den Profis» kommt, von Mitarbeitern der Alten- und Migrationsarbeit. Sie hätten den Wunsch, Gettos zu vermeiden und multikulturell zu sein. «Aber aus Sicht der Migranten läuft der eigene Alltag und der der Deutschen nebeneinander her - warum also sollten sie plötzlich im Alter zusammen ihre Zeit verbringen?», fragt Hielen.

Bisher gebe es noch «ganz wenige gelungene Beispiele» der offenen Altenarbeit, bilanziert Hielen, der Angebote für Einwanderer im Alter entwickelt und Mitarbeiter der Altenhilfe berät. In Hamburg und Köln etwa bestehen laut Hielen türkische Seniorengruppen, die sich langsam für deutsche Senioren geöffnet haben. «Transkulturelle Seniorenarbeit» gelinge nur, wenn die Professionellen ein gemeinsames Interesse der Alten herausfiltern.

Informationen im Internet: http://www.forum-seniorenarbeit.de/, http://www.esmz.de/, http://www.ikom-bund.de/