Katholische Bischöfe: Wohlfahrtsstaat ist zu teuer geworden

Berlin (epd). Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hat am Freitag in Berlin eine neue Stellungnahme zur Sozialpolitik vorgelegt. Darin kritisieren die Bischöfe den Sozialstaat und verlangen Reformen sowie eine Erneuerung der Sozialpolitik. Deutschland vertrage keinen weiteren Stillstand, heißt es in dem Papier mit dem Titel: «Das Soziale neu denken. Für eine langfristig angelegte Reformpolitik.»

Namhafte katholische Theologen übten scharfe Kritik an der Schrift. Sie vollziehe die Abkehr vom 1997 veröffentlichten Sozialwort der beiden großen Kirchen. Die Bischöfe gäben sozialkatholische Vorstellungen zu Gunsten liberaler Prinzipien von privater Vorsorge auf, kritisierten die katholischen Sozialwissenschaftler Friedhelm Hengsbach, Dietmar Mieth und Karl Gabriel. Die Schrift sei nicht als fundierte Stellungnahme der Kirchenleitung zu werten, sondern als «provokanter Diskussionsanstoß aus den Reihen der katholischen Kirche».

Die Bischöfe beklagen einen Reformstau. Der Wohlfahrtsstaat verursache hohe Kosten. Sozialleistungen dürften bei knappen Mitteln nur noch den Schwachen zu Gute kommen, lautet eine der Kernaussagen der Schrift. Sozialpolitik der Zukunft könne nicht als Verteilungspolitik, sondern müsse als Bevölkerungs-, Familien-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik gestaltet werden, heißt es weiter.

Der Text wurde von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz unter Leitung des Hildesheimer Bischofs Josef Homeyer verfasst. Beteiligt waren unter anderen der ehemalige Verfassungsrichter und Steuer-Reformer Paul Kirchhof und der frühere Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer. Homeyer betont im Vorwort, der «Impulstext» verstehe sich als Fortschreibung des Sozialworts. Es gehe nun um die Beseitigung von Reform-Blockaden.

Dazu zählen die Bischöfe den ausgeprägten Lobbyismus und ein «Dickicht» finanzieller Transferleistungen in Deutschland. Einzelinteressen seien auf Kosten des Gemeinwohls und heutige Generationen auf Kosten ihrer Kinder bedient worden. Reformen sollten daher aufräumen mit «gut gemeinten sozialen Strategien». Lebensrisiken, für die eine Sicherung notwendig sei, müssten enger definiert werden. Bisher sei, etwa in der Rentenversicherung, der jeweils erreichte Lebensstandard abgesichert worden.

Die Bischöfe fordern, Sozialpolitik weiter fassen: Wenn es nicht gelänge, den Bevölkerungsrückgang zu stoppen und junge Menschen bestmöglich auszubilden, steuere Deutschland auf den Zusammenbruch seiner Sozialsysteme zu. Ein «Sozialstaats-TÜV» solle - analog zu den jährlichen Gutachten der Wirtschaftssachverständigen - langfristige Reformen begleiten. Das «regierungsnahe Beiratswesen» dürfe nicht weiter ausgebaut werden».