Kino-Held Luther hat 2.800 Nachkommen

Die Urenkel des Reformators sind in der 18. Generation

Von Michael Grau

Hildesheim (epd). Irene Scholvin aus Hildesheim kann die Geschichte ihres berühmten Vorfahren zurzeit auf der Kino-Leinwand sehen. Sie ist eine Urenkelin Martin Luthers (1483-1546) in der 14. Generation. Ihr Stammbaum beweist es: Über Ziemer, von Auwers, Jacobi, Roßner, Persch, Ruppe und Teubner reicht er direkt bis Luther. «Ein bisschen stolz bin ich schon», sagt die 76-Jährige. «Aber zu Luthers Nachkommen zu gehören, verpflichtet auch.» Deshalb engagiert sich Scholvin seit langem in der «Lutheriden-Vereinigung».

Der Verein mit Sitz in Zeitz bei Leipzig hat derzeit etwa 2.800 Luther-Nachkommen der 13. bis 18. Generation mit Namen und Geburtsdaten erfasst. Die meisten leben in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, einige auch in Niedersachsen. Durch Auswanderung sind Linien in Holland, Finnland und Amerika entstanden. Die 1926 gegründete Vereinigung selbst zählt 300 Mitglieder, die meisten evangelisch, einige aber auch katholisch. Irene Scholvin war fünf Jahre Vorsitzende, heute ist sie Ehrenvorsitzende.

Mit großem Interesse hat sie sich den «Luther»-Film im Kino angesehen. «Er bringt das Anliegen Luthers gut zur Geltung», findet sie. Allerdings sind ihr die Massenszenen manchmal etwas zu pompös geraten. Auch habe sie sich Luther von den historischen Bildern her nicht so schlank vorgestellt: «Eher etwas breiter und bodenständiger.» Sie bewundere das Durchsetzungsvermögen ihres Vorfahren, sagt sie. «Und er war ein liebevoller Vater.» Manches stört sie auch: «Er konnte ziemlich grob sein.»

Die Luther-Nachkommen haben ihre Abstammung schon früh in Stammbäumen festgehalten. 1733 erschien das erste systematisch geordnete Familienbuch: die «Genealogia Lutherorum» von David Friedrich Richter. Derzeit beschert der Luther-Film im Kino den Lutheriden einen regelrechten Boom, sagt die für die Genealogie zuständige Friedel Damm aus Stahnsdorf bei Berlin: «Jeden Tag melden sich vier oder fünf Leute, die sich daran erinnern, dass sie von Luther abstammen.»

Der Luther-Name selbst ist den Urenkeln des Reformators allerdings abhanden gekommen. Er starb 1759 mit Martin Gottlob Luther in Dresden aus. «Wer heute Luther heißt, stammt nicht von Martin ab», sagt Damm. Trotzdem fühlen sich die Lutheriden wie eine große Familie: Alle zwei Jahre lädt der Verein zum «Familientreffen» ein. Zweimal im Jahr kommt das «Familienblatt» ins Haus. Und in Zeitz, in dessen Umgebung heute viele Lutheriden leben, betreut der Verein eine umfangreiche Luther-Bibliothek.

Zum Geburtstag erhält jeder Lutheride eine Glückwunschkarte. «Das hält zusammen,» sagt Scholvin. Zu besonderen Anlässen kommt die Karte mit der großen Lutherrose, dem Zeichen des Reformators: weiß, fünfblättrig, in der Mitte ein Herz mit einem Kreuz. Längst hat Irene Scholvin das Zeichen der Rose weitergereicht. Sie hat vier Kinder in Hamburg, Tübingen, Bolivien und Bienenbüttel bei Lüneburg. Und sie hat sieben Enkel von sieben bis 16 Jahren. Wenn sie davon erzählt, strahlt sie: «Sie sehen: Luther lebt!»