Bischof Fischer: Die Stimme des Protestantismus stärken

Karlsruhe (epd). Der Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen (UEK), Ulrich Fischer, hat zielstrebige Reformen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angemahnt. Die EKD müsse stärker als Stimme des gesamten Protestantismus erkennbar werden, sagte der badische Landesbischof dem epd in Karlsruhe. Der neue Rat der EKD, der am 4. November auf der Synode in Trier gewählt wird, solle christliche Themen und Anliegen deutlich «in die nichtkirchliche Öffentlichkeit hinein» vermitteln.

Mit Blick auf die Zukunft der Kirche in Deutschland forderte Fischer ein Festhalten am Anspruch, «Volkskirche» zu sein. «Wir haben den Auftrag, allem Volk die Botschaft von der freien Gnade zu verkündigen», betonte er. «Und diesen Auftrag dürfen wir nicht aufgeben.» Allerdings erwartet Fischer eine deutlich geringere Mitgliederzahl. Weil immer weniger Menschen in die «evangelische oder katholische Tradition hinein geboren werden», werde die Kirche in 20 Jahren mit Sicherheit wesentlich kleiner sein als heute.

Fischer forderte dazu auf, in der öffentlichen Vermittlung des Christentums verstärkt die Zusammenarbeit mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zu suchen. «Im ethischen Bereich etwa haben wir einen sehr großen Konsens, auch in der Zuordnung von Kirche und Gesellschaft», sagte Fischer. Nur dort sollten die Kirchen Unterschiede betonen, wo sie wirklich essenziell seien. «Diese Differenzen betreffen aber eher kircheninterne Dinge», erklärte Fischer.

Die neugegründete «Union Evangelischer Kirchen» bezeichnete Fischer als «Motor der Veränderung» des Protestantismus. Ziel des Mitte Oktober gebildeten Zusammenschlusses von 14 Landeskirchen sei die eigene Auflösung in einer gestärkten EKD. Dazu sollten bis etwa 2007 die Grund- und Geschäftsordnung der EKD so reformiert werden, dass die derzeit bestehenden lutherischen und unierten Kirchenbünde auf eigenständige Kirchenämter verzichten können.


Das epd-Interview im Wortlaut:

Die Volkskirche existiert auch in 20 Jahren noch

Der Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen Bischof Fischer über Reformziele der Protestanten

Karlsruhe (epd). Am 4. November wählt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Trier den neuen Rat und sucht einen Nachfolger für den bisherigen Ratsvorsitzenden Manfred Kock. Im Gespräch mit epd-Redakteur Hans-Peter Scheibel verdeutlicht der badische Landesbischof und Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen (UEK), Ulrich Fischer, Herausforderungen und Ziele der Protestanten. Stärkung durch schlankere Strukturen, lautet das Motto des Bischofs.

epd: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die am 1. November zusammentritt, wählt einen neuen Rat. Wie viel Reformwillen sollten die 15 Mitglieder mitbringen?

Fischer: Ich erwarte von dem neuen Rat, dass er sehr zielstrebig die Reformen der EKD angeht. Es ist vorrangig, dass die EKD insgesamt eine Stärkung erfährt, damit sie deutlicher als Stimme des Protestantismus in Deutschland erkennbar wird. Das zweite wird wohl sein, dass der neue Rat sehen muss, dass er in einer klaren Zuordnung zur katholischen Deutschen Bischofskonferenz auch die Stimme der Christenheit in Deutschland in die nichtkirchliche Öffentlichkeit hinein erhebt. Dort, wo wir zusammen mit den Katholiken nach außen treten können, müssen wir das tun. Im ethischen Bereich etwa haben wir einen sehr großen Konsens, auch in der Frage der Zuordnung von Kirche und Gesellschaft. Nur dort sollten wir Unterschiede betonen, wo sie wirklich essenziell sind. Diese Differenzen betreffen aber eher kircheninterne Dinge. Ich erwarte daher vom neuen Rat, dass er sich deutlich in die nichtkirchliche Öffentlichkeit hinein vermittelt. Insofern hoffe ich auf einen Ratsvorsitzenden oder eine Ratsvorsitzende, der oder die genau dies auch gut kann.

epd: Welche Rolle spielt bei der EKD-Strukturreform die neugegründete Union Evangelischer Kirchen (UEK), deren Vorsitzender Sie sind?

Fischer: Wir haben sozusagen eine «katalytische Funktion», die den Prozess beschleunigt und in eine bestimmte Richtung gebracht hat. Die UEK versteht sich ja selber als ein Konstrukt, das eine vorübergehende Lebensdauer hat, mit der klaren Zielsetzung sich hinein in eine gestärkte und dann auch veränderte EKD aufzulösen. Insofern wird die UEK ein Motor dieser Veränderung sein.

epd: Welche Schritte zur Strukturwandlung im Protestantismus halten Sie für vordringlich?

Fischer: Es sind zwei Schritte. Das eine ist eine neue Grundordnung der EKD. Da habe ich die konkrete Erwartung, dass wir zur EKD-Synode 2004 diesen Grundordnungstext beraten können und dann zur Stellungnahme in die Gliedkirchen geben. Das zweite ist fast ebenso wichtig: eine neue Geschäftsordnung des Kirchenamtes der EKD. Darin muss geklärt werden, wie die spezifisch lutherischen und die spezifisch unierten Anliegen und Traditionen in die neue EKD-Struktur aufgenommen werden, so dass deren Bünde auf eigenständige Kirchenämter verzichten können. Die Grundordnungsveränderung könnten wir bis 2006, vielleicht 2007 hinkriegen. Die Geschäftsordnung lässt sich natürlich wesentlich schneller verändern. Wir haben ja bereits wesentliche Veränderungen vorgenommen. So wird der Präsident der UEK-Kirchenkanzlei ab sofort an den Kollegiumssitzungen des Kirchenamtes teilnehmen, der neue leitende Jurist der UEK wird ab März von der EKD angestellt. Eine enge Verzahnung ist also bereits beschlossen. Alles muss aber der Fortaufnahme des jeweiligen lutherischen, des reformierten und unierten Erbes dienen.

epd: Zwei Vizepräsidenten sind ja auch geplant.

Fischer: Das ist ein Grundelement in der neuen Geschäftsordnung, dass nämlich die beiden Vizepräsidenten jeweils eine lutherische beziehungsweise unierte reformierte Stabsstelle haben.

epd: In welchen Zeiträumen denken Sie bei den geplanten Veränderungen?

Fischer: Die EKD wird die Veränderung von Geschäftsordnung und Grundordnung in drei bis vier Jahren fertig haben, so dass wir von der UEK uns dann in diese veränderte EKD auflösen können. Das wäre dann das Jahr 2008 oder 2009.

epd: Wie wird Kirche überhaupt in 20, 30 Jahren aussehen?

Fischer: Dazu gibt es eine positive und eine negative Aussage. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kirche auch in 20 Jahren noch Volkskirche sein wird, also Kirche für alles Volk. Wir haben den Auftrag, allem Volk die Botschaft von der freien Gnade zu verkündigen. Und diesen Anspruch dürfen wir nicht aufgeben. Insofern werden wir Volkskirche bleiben. Allerdings, und das ist das Negative, wird diese Volkskirche mit Sicherheit eine wesentlich kleinere Kirche sein als heute. Nicht aber, weil uns die Menschen davonlaufen, sondern weil wir weniger Menschen in diesem Land sein werden, die in die evangelische oder katholische Tradition hinein geboren werden. Wir werden insgesamt weniger Menschen haben in diesem Land. Und wir werden mehr ausländische Mitbürger haben, die einer anderen Religion angehören. Dass sagt aber überhaupt nichts dazu aus, ob das Stichwort von der Minderheitskirche dann zutrifft. Wobei es im Osten unserer Republik allerdings in der Tat so werden könnte. Im Westen sehe ich diese Entwicklung aber überhaupt nicht.

Ulrich Fischer ist seit 1998 Landesbischof von rund 1,3 Millionen Protestanten in Baden. Mitte Oktober wurde der 54-Jährige in Erfurt zum Vorsitzenden der «Union Evangelischer Kirchen» gewählt, zu der die Kirchen von Anhalt, Baden, Berlin-Brandenburg, Bremen, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Lippe (Detmold), Pfalz, Pommern, Rheinland, Schlesische Oberlausitz, Westfalen, Kirchenprovinz Sachsen sowie die Reformierte Kirche (Leer) gehören.