«Zwischen allen Stühlen» - Protestanten im Heiligen Land

Protestanten im Heiligen Land suchen nach einer konstruktiven Rolle im Nahost-Konflikt

Von Stefan Fuhr

Jerusalem (epd). Ibrahim Asars Gemeinde schrumpft von Jahr zu Jahr. Erst jüngst sind wieder drei Familien ins Ausland gezogen. «Sie sahen hier keine Zukunft mehr», sagt der Pfarrer der evangelischen Erlöserkirche in Ost-Jerusalem. Gewalt, Arbeitslosigkeit, nächtliche Ausgangssperren - das Leben im Heiligen Land birgt unzählige Risiken und Unwägbarkeiten.

Als Minderheit einer Minderheit - 3.000 der schätzungsweise 140.000 Christen in Palästina und Israel sind Protestanten - fällt es vielen Angehörigen der lutherischen Kirche zudem schwer, die eigene Position im religiös-verworrenen Nahost-Konflikt zu bestimmen. «Wir sitzen zwischen allen Stühlen», sagt Pfarrer Asar. «Für die Israelis sind wir Palästinenser, für die muslimischen Palästinenser sind wir zu westlich.»

Dennoch sind nicht alle Protestanten im Heiligen Land resigniert. Fadi Said etwa, der derzeit in Mainz Zahnmedizin studiert, will nach seinem Studium zurückkehren und in Jerusalem eine eigene Praxis aufmachen. So möchte er einen «Beitrag zur Entwicklung seines Landes» leisten. Die Gewalt radikaler Palästinenser-Gruppen lehnt der 22-Jährige strikt ab. Er scheut sich aber nicht, klar politisch Stellung zu beziehen: «Ich will meine eigene Heimat», sagt er. Ein Ende des Konfliktes sieht er nur in der Errichtung eines eigenen Palästinenser-Staates.

Politische Patentrezepte zur Lösung der Krise kennt Propst Martin Reyer, EKD-Vertreter im Heiligen Land, dagegen nicht. Als Deutscher und Christ sieht sich der Pfarrer der 80-köpfigen deutschsprachigen Gemeinde Jerusalems vielmehr in der Rolle des Vermittlers zwischen Israelis und Palästinensern.

«Ich teile das Leben mit den Menschen hier und bestärke die Gemeindemitglieder, jedes noch so kleine Friedenszeichen abzugeben», sagt der Propst. So treffen sich im beschaulichen Innenhof der Erlöserkirche, dessen Idylle mit der hektischen Betriebsamkeit der Jerusalemer Altstadt kontrastiert, häufig Juden, Muslime und Christen zu gemeinsamen Kulturveranstaltungen. Darin sieht Propst Reyer den Beginn eines «Graswurzelprozesses» - friedliche Koexistenz soll exemplarisch vorgelebt werden.

Ein ähnliches Konzept verfolgt Mitri Raheb, Leiter des «Internationalen Begegnungszentrums» in Bethlehem und Pfarrer der dortigen lutherischen Weihnachtskirche: «Es herrscht eine Kultur der Gewalt und Macht, dem wollen wir die Macht der Kultur entgegensetzen.»  Sein Begegnungszentrum ist eine Art Volkshochschule, in der unter anderem Mal-, Theater-, und Internetkurse gegeben werden - ein Angebot, das auch viele Muslime nutzen. Derzeit wird hier zudem ein Fernsehstudio eingerichtet, der Aufbau einer Journalistenschule ist geplant. Die Palästinenser dürften sich nicht nur als Opfer fühlen, sagt Raheb. Stattdessen sollten sie den Aufbau einer zivilen Gesellschaft vorantreiben.

Große Teile des geräumigen, lichtdurchfluteten Begegnungszentrums - von der finnischen Regierung finanziert - haben israelische Soldaten im April vergangenen Jahres zerstört. Es wurde wieder aufgebaut - architektonisch noch aufwendiger als es ohnehin schon war. Auf diese Weise will Mitri Raheb der zerstörerischen Gewalt des Nahost-Konfliktes positive Fakten entgegen setzen - ein «Zeichen des Dennoch», wie er es nennt.

Und in Abwandlung eines Luther-Wortes sagt der palästinensische Pfarrer in fehlerfreiem Deutsch: «Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich in den Garten gehen und einen Olivenbaum pflanzen.»