Luthers Kampf – mit Gott, dem Teufel und dem Papst

Die Reformation im Kino: Historisch nicht ganz korrekt, aber theologisch aufregend

(idea) Ab 30. Oktober läuft der Film “Luther” in deutschen Kinos. Gekonnt wurden dramatische wie romantische Szenen verbunden mit dem theologischen Streit Luthers und Papst Leo X. Ein Film nicht nur für Konfirmanden-Gruppen und Luther-Kenner, findet idea-Reporter Karsten Huhn.

Das christliche Abendland ist bedroht. Die Türken stehen vor den Toren Wiens, und in Wittenberg fordert ein deutsches Mönchlein die katholische Weltkirche heraus und beruft sich dabei auf die Bibel. Schwere Tage für Papst Leo X. (gespielt von Uwe Ochsenknecht), der vor allem am Neubau des Petersdoms interessiert ist und dafür dringend Geld braucht. Und zwei spannende Kinostunden für deutsche Filmliebhaber, die die Reformationsjahre in Hollywood-Qualität miterleben können. Denn mit “Luther” ist ein üppiger Historienschinken gelungen, mit Bettlern, Huren und Kardinälen, ein bilderreicher Film, der das arme, schmutzige Leben im 16. Jahrhundert zeigt und dem die Pracht der Kirchen mit ihrem Glauben an Reliquien und weitreichenden politischen Interessen gegenübergestellt wird.

Produziert wurde der Film von der Berliner Neue Filmproduktion. Die Hälfte der Produktionskosten von 22 Millionen Euro trug die lutherische US-amerikanische Versicherungsgesellschaft Thrivent Financial for Lutherans. In Deutschland wirbt die EKD für den Film. Entstanden ist nicht etwa ein Dokumentarfilm, der auf historische Authentizität bis ins kleinste Detail Wert legt, auch kein Heldenepos, der die großen Taten Luthers lobt, sondern ein überwältigender, atemberaubender wie berührender Spielfilm. Denn Regisseur Eric Till hat alles getan, damit der Film nicht nur von Luther-Kennern gesehen wird. Schnell wechseln die Bilder, in jeder Minute geschieht Abenteuerliches. Der Film ist ein Eilritt durch Luthers Leben: die Aufnahme im Erfurter Augustiner-Kloster, Luthers Vorlesungen an der Wittenberger Universität, sein Thesenanschlag an der Schlosskirche, die päpstliche Bann-Bulle und Luthers Schriften auf dem Scheiterhaufen, Ladung vor dem Reichstag in Worms, Luthers Entführung auf die Wartburg, wo er in elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzt, die Bauernkriege, die Heirat von Katharina von Bora. Der Film endet damit, dass deutsche Landesherren in Augsburg dem Befehl von Kaiser Karl V. widerstehen, sich von Luthers Lehren abzukehren. Stattdessen überreichen sie ihr reformatorisches Glaubensbekenntnis. Die Reformation ist nicht mehr aufzuhalten.

Dabei wird Luther nicht etwa als Revolutionär oder Verfechter der Meinungsfreiheit gezeigt, sondern als Reformator, der die frohe Botschaft in der Bibel wiederentdeckt hat. Denn trotz aller dramatischen Elemente kommen die Glaubensaussagen nicht zu kurz. So wird gezeigt, wie Kardinal Cajetan Luther zu sich nach Augsburg bestellt und ihn zum Widerruf der 95 Thesen zwingen will. Luther liegt zu Füßen des Kardinals, nicht die angenehmste Position für ein Gespräch. Der Kardinal will Einigkeit, doch Luther will Wahrheit. Er begründet seinen Glauben und verweigert den Widerruf. Der Kardinal eilt wutentbrannt hinaus.

Historiker-Kritik ist gewiss

Um Luthers Entwicklung zu veranschaulichen, wurden einige fiktive Episoden in den Film aufgenommen. So erhängt sich in Wittenburg der Sohn eines Maurers. Luther hebt das Grab des Selbstmörders aus und wagt es, ihn auf dem Friedhof zu bestatten. Das Volk steht am Friedhofstor und staunt über den ungewöhnlichen Priester. Diese Szene soll Luthers “Turmerlebnis” veranschaulichen: Luther gelangt zu der rettenden Einsicht, dass Gott barmherzig ist. In Wirklichkeit entwickelte Luther diesen Gedanken durch wochenlanges Studium des Römerbriefes in seiner Zelle im schwarzen Kloster zu Wittenberg. “Hier sind wir ganz bewusst von der historischen Überlieferung abgewichen. Man stelle sich mal vor: Luther sitzt bei Kerzenlicht über die Bibel gebeugt, rauft sich die Haare und sagt dann plötzlich: ‚Jetzt weiß ich Bescheid! Es steht alles in den Römerbriefen.’ Jeden Drehbuchschreiber, der so etwas verzapft, sollte man in die Wüste schicken.” Auch andere Szenen sind historisch nicht belegt. So übereicht Luther im Film Friedrich dem Weisen seine Übersetzung des Neuen Testaments. Dieses Treffen hat jedoch nie stattgefunden, sagen Historiker. “Die Geschichtsbuchhalter werden uns eine Rüge erteilen”, sagt Produzent Christian Stehr. “Aber als Filmemacher sind wir über diese Szenen von Herzen froh.”

Luther wird als zweifelnder, ringender Mensch gezeigt, der erst mit Gott und dem Teufel, später mit der katholischen Kirche kämpft. Zugleich ist er ein scharfzüngiger, theatralischer Modernisierer, der während seiner Predigten durch die Kirche geht, den barmherzigen Gott verkündet und sich über die Verehrung von Heiligengebeinen lustig macht. Ein sympathischer, begabter Mann – aber zum Glück kein Über-Mensch. Jung, schmalgesichtig und oft fiebrig wirkend, wird er gespielt von Joseph Fiennes, der durch seine Titelrolle in “Shakespeare in love” bekannt wurde. Dabei erscheint Luther nicht nur als Vorbild. Denn die Bauern verstehen seine Worte als Aufruf zum Aufstand, die Fürsten schlagen zurück, und Luther erlebt erschüttert die Gemetzel während des Bauernkrieges, bei dem bis zu 100.000 Menschen sterben. “Ich habe Blut an den Händen, ich treibe Keile zwischen die Menschen”, sagt er voller Verzweiflung. Zwar sind im Film einige Tote zu sehen, die Schlachten selbst werden jedoch nicht gezeigt. Auch Luthers Hochzeit mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora kommt nur am Rande vor, und gerade als die frisch Vermählten sich im Ehebett zu vergnügen beginnen, wird Luther, zum Ärger seiner Frau, mit wichtigen politischen Nachrichten behelligt. So wird die Bettszene, die für Spielfilme inzwischen zum Pflichtprogramm zu gehören scheint, elegant vermieden. Die sechs Kinder, die aus der Ehe hervorgehen, werden nur im Abspann erwähnt.

Papst als intriganter Bösewicht

Wenig Freude wird die katholische Kirche an diesem Film haben. Der Papst wird als intriganter Bösewicht gezeigt, der die Wildschweinjagd liebt und Bischofsämter auch schon mal im Gegenzug für finanzielle Zuwendungen vergibt. “Rom ist ein Zirkus, eine stinkende Gosse, es gibt dort alles zu kaufen – Lust und Erlösung”, sagt der Luther im Film nach seiner römischen Pilgerreise. Beeindruckend ist die Gestalt des Johann Tetzel (Alfred Molina), der als Ablasshändler Geld für den Petersdom in Rom eintreibt und den Menschen dafür einen Platz im Himmel garantiert. Bei einem Auftritt hebt er seine Hand in eine Flamme und hält sie mit schmerzverzerrtem Gesicht solange dort, bis sie schwarz wird. Dann entrollen Helfer Schaubilder, die leidende Menschen im Fegefeuer zeigen, und stecken einen Reisighaufen an. Das Volk stöhnt. “Hört ihr die Stimmen eurer verstorbenen Eltern und Großeltern, eurer Tanten und Onkels? Mit ein paar Münzen könnt ihr sie von Strafe und Schmerzen befreien”, lockt Tetzel. Die heimliche Hauptrolle hat jedoch Peter Ustinov, der Friedrich den Weisen als schrulligen wie klugen alten Mann gibt, der mit allen Wassern der Realpolitik gewaschen ist und Luther gegenüber dem Papst verteidigt. Köstlich ist sein komisches Mimenspiel, etwa wenn er, trotz aller gebotenen Höflichkeit, angewidert eine vom Papst geweihte heilige Rose als Geschenk entgegennimmt. Mit Ustinov bringt der Film neben der so ernsten Frage, wie man Gott finden kann, also sogar noch Humor ins Spiel und beweist einmal mehr, dass Theologie nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam sein kann.