Ost-Kirchenfusion abgelehnt: Schlesische Oberlausitz bleibt selbstständig

Zur “Kirchenehe” mit Berlin-Brandenburg fehlten zwei Stimmen – Angst vor Identitätsverlust

B e r l i n (idea) – Der Zusammenschluss zweier ostdeutscher Landeskirchen ist missglückt. Für die Vereinigung der 65.000 Mitglieder zählenden Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz (EKsOL) mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) mit 1,27 Millionen Mitgliedern fehlten zwei Stimmen. Bei der gemeinsamen Tagung beider Synoden am 20. September in Berlin votierten in geheimen Abstimmungen 25 der 40 anwesenden schlesischen “Kirchenparlamentarier” für ein Zusammengehen, 14 dagegen, und ein Synodaler enthielt sich der Stimme. Für die “Kirchenehe” wäre eine Zweidrittelmehrheit, also mindestens 27 Ja-Stimmen, nötig gewesen. In der berlin-brandenburgischen Synode wurde die Zweidrittelmehrheit klar übertroffen: 117 der 135 anwesenden Synodalen stimmten für die Fusion, elf dagegen, und sieben enthielten sich. Beide Bischöfe zeigten sich enttäuscht. “In der Görlitzer Kirche wird es weitergehen, aber ich habe Angst davor, wie”, sagte Bischof Klaus Wollenweber vor Journalisten. Wegen der geringen Mitgliederzahl sei es kaum möglich, alle Gemeindekirchenräte zu besetzen. Wollenweber: “Ich hatte gehofft, dass ich bis zu meinem Ruhestand meine Kirche als guter Haushalter in andere Hände übergeben kann. Meine Vision der Neubildung einer Kirche ist nicht geschafft.” Einen Rücktritt schloss der Bischof, dessen Amtszeit 2004 endet, aus.

Bischof Huber: In Görlitz waren die Verletzungen groß

Berlin-Brandenburgs Bischof Wolfgang Huber sagte, auch nach der Abstimmung sei die Tür für weitere Gespräche nicht zu. Der Wunsch müsse jedoch aus der schlesischen Oberlausitz kommen. Er habe den Eindruck gewonnen, dass “Verletzungen” für das Stimmverhalten Einzelner verantwortlich seien. Hohe Wellen hatte ein Aufruf des Aktionskreises “Rettet die EKsOL” geschlagen, in dem es hieß, die vom sozialen Pietismus geprägte Kirche sei geistlich und finanziell intakter als Berlin-Brandenburg. Man wehre sich gegen die Fusion mit einer Kirche, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften segne und in einer Tagungsstätte buddhistische und hinduistische Riten erlernen lasse. Daraufhin hatte die Görlitzer Kirchenleitung die Verbreitung des mit Bibelzitaten versehenen Aufrufs verbieten lassen.

Oberkonsistorialrätin: Es war falsch, den Synodalen zu vertrauen

Oberkonsistorialrätin Margrit Kempgen erklärte nach der Abstimmung, es sei ein Fehler der Kirchenleitung gewesen, “im Vorfeld der Abstimmung den Synodalen vertraut zu haben”. Sie hätten keine Informationen über die Fusion in die Gemeinden getragen. So sei das große Misstrauen entstanden. Die EKsOL werde in den nächsten Jahren weiter schrumpfen, da immer mehr Menschen wegzögen. Daher müsse es weitere Verhandlungen über eine Fusion geben.

Synodale: Gemeinden wurden nicht gefragt

Mehrere Synodale der EKsOL kritisierten, dass die Gemeinden zu wenig in den Entscheidungsprozeß einbezogen worden seien. Laut Peter Lerche (Görlitz) haben sich weniger als 30 Prozent der Kirchengemeinden für eine gemeinsame Kirche ausgesprochen: “Kein einziges Mitglied unserer Gemeinde bat mich, für ein Zusammengehen zu stimmen.” Die Vorsitzende des “Arbeitskreises Kritische Synodale”, Elisabeth Domsgen (Görlitz), sagte, ihr Herz schlage “für das alte Schlesien, und nicht für die vom Zeitgeist beeinflussten Beschlüsse einer Kirchenleitung, wie etwa die Segnung homosexueller Partnerschaften”. Ein theologisch konservatives Mitglied der berlin-brandenburgischen Synode, Pfarrer Volker Gebhard (Triglitz), erklärte, er freue sich auf einen Zusammenschluss mit den Oberlausitzern: “Impulse des schlesischen Pietismus können uns nur gut tun, und wir hätten die Chance, noch einmal neu über die Homo-Segnung zu diskutieren, die mir immer noch Bauchschmerzen bereitet.”

EKD-Ratsvorsitzender: Angst überdeckt Vernunft

Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses i.R. Manfred Kock (Köln), hob in einem Grußwort die Chancen einer Kirchenvereinigung hervor. Reformprozesse scheiterten meist an der Angst vor Identitätsverlust, die rationale Gesichtspunkte überdecke. Aus der Erfahrung der rheinischen Kirche könne er sagen, dass verschiedene Identitäten “zur Farbigkeit und Lebendigkeit” der Kirche beitrügen.