Weltkirchenrat stellt Weichen für Zukunft

Wahl eines neuen Generalsekretärs im Mittelpunkt der Zentralausschuss-Tagung

Von Stephan Cezanne

Genf (epd). Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) befindet sich im wohl umfangreichsten Umwandlungsprozess seiner Geschichte: Der Weltbund der nicht-katholischen Christenheit muss überholte Strukturen rasch erneuern. Dazu zwingen das nachlassende Interesse vieler Christen an der Ökumene, eine überwunden geglaubte Tendenz zur Abgrenzung zwischen den Konfessionen - aber auch eine katastrophale Finanzlage. Die Bewältigung dieser Probleme wird von dem neuen Generalsekretär erwartet, dessen Wahl im Mittelpunkt der am Dienstag in Genf beginnenden Sitzung des ÖRK-Zentralausschusses steht.

Der erste Deutsche in diesem Amt, Konrad Raiser, scheidet nach über zehn Jahren am Ende des Jahres aus. Er selbst rief jetzt zur Debatte für eine Neugestaltung der ökumenischen Bewegung auf. Raiser: «Wir müssen den ursprünglichen Geist zurückgewinnen, der zur Gründung des ÖRK geführt hat.» Als seine Nachfolger werden der Osloer Propst Trond Bakkevig und der Kenianer Sam Kobia, Sonderbeauftragter für Afrika im Weltkirchenrat, gehandelt. Beobachter befürchten, dass es bei der Abstimmung zur Polarisierung zwischen den Kirchen aus den Ländern des Südens und Industrieländern kommen könnte.

Mit einem Paukenschlag endete vor einem Jahr die Sitzung des wichtigsten Gremiums zwischen den ÖRK-Vollversammlungen. Die auch als «Mrs. Ökumene» bekannte hannoversche Bischöfin Margot Käßmann verließ nach 19 Jahren ÖRK-Mitarbeit mit «einem gewissen Zorn» den Zentralausschuss. Grund war die Annahme eines Dokuments zur Zusammenarbeit mit den orthodoxen Mitgliedskirchen.

Mit dem Papier wurde der seit Jahren schwelende Streit zwischen Orthodoxen und Protestanten zwar entschärft. Kritiker wie Käßmann werteten den Text aber als zu großes Zugeständnis an die Ostkirchen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) warnte vor einer weiteren «geistigen und organisatorischen Schwächung des ÖRK».

Der orthodox-protestantische Dialog könnte auch jetzt zu neuen Konflikten führen. Besonders die russische Ostkirche fühlt sich seit langem in dem 1948 gegründeten und von Protestanten geprägten ÖRK übergangen. Die Haltung der liberalen Theologie in Europa und Nordamerika zur Gottesdienstpraxis, Sexualethik und Frauenordination aber auch die Mission evangelikaler Gruppen in Russland stoßen auf Ablehnung. Die Wahl eines homosexuellen Bischofs wie in den USA zum Beispiel ist für die meisten orthodoxen Theologen undenkbar.

Mit dem Orthodoxie-Papier - das der EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe maßgeblich mitprägte - wurde die Gefahr eines Austritts der Orthodoxie aus dem Weltkirchenrat vorerst abgewendet. Rund ein Drittel der mehr als 400 Millionen im ÖRK zusammengeschlossenen Christen sind Orthodoxe. «Wenn wir nicht zusammen beten können, können wir nicht zusammenbleiben», bilanziert Koppe den Streit.

Auf den neuen Generalsekretär kommt als eine der drängendsten Aufgaben die Konsolidierung des Haushaltes zu. Die chronische Finanzkrise des Weltkirchenrates hatte bedrohliche Ausmaße angenommen. Im Jahr 2001 gab es eine Finanzierungslücke von rund elf Millionen Schweizer Franken. Fast die Hälfte der Mitgliedskirchen zahlt kein Geld. Deutschland dagegen ist mit rund 30 Prozent der Hauptbeitragszahler, gefolgt von Schweden, USA und den Niederlande. Als Antwort auf den schmelzenden Etat wurde allein der Mitarbeiterstab seit Anfang der 90er Jahre von 300 auf etwa die Hälfte reduziert.

«Emotional weniger aufgeheizte Debatten und sachlichere Diskussionen» erwarte er von der kommenden ÖRK-Sitzung, sagt der württembergische Altbischof Eberhardt Renz, einer der acht Präsidenten des Bundes von 342 Kirchen in über 120 Ländern. Doch die ständigen Reibungen zwischen den Kirchen werden inzwischen sogar als Erfolg der ökumenischen Bewegung verbucht. Die wachsende Gemeinschaft mache die Differenzen besonders spürbar, die vielen Krisen seien das Ergebnis wachsender Nähe, sind sich Optimisten der Ökumene einig.