«Zentren geistiger Orientierung» im Umbruch

Evangelische Akademien wollen mit kreativen Reformen auf kirchliche Finanzmisere reagieren

Von Stephan Cezanne

Frankfurt a.M. (epd). Die Evangelischen Akademien in Deutschland befinden sich zurzeit in einer Phase des Umbruchs. Sie reagieren damit vor allem auf die Finanzmisere der Kirchen. Ein Warnsignal ist die geplante Schließung der Evangelischen Akademie Nordelbien mit ihren beiden Standorten in Hamburg und Bad Segeberg zum Jahresende. Von insgesamt 17 traditionsreichen «Zentren geistiger Orientierung» wird es damit wohl bald eine weniger geben. Nordelbien wäre die erste evangelische Landeskirche, die ihre Akademie schließt.

In der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau wird ernsthaft überlegt, die Tagungsstätte der renommierten Akademie Arnoldshain zu verkaufen. Zwar würde auch dann die Akademiearbeit fortgeführt, allerdings in anderen Häusern und nur noch mit vier statt fünf Studienleitern. Darüber will die Synode im September beraten.

Die Akademien - seit Jahrzehnten innovative Podien für Politik, Wissenschaft und Kultur - haben zudem durch die Talk-Shows Konkurrenz bekommen. Doch gerade in der von den Medien bestimmten Öffentlichkeit seien unabhängige «Räume zur Reflexion» nötiger denn je, sagt der Vorsitzende des Dachverbandes der Evangelischen Akademien in Deutschland, Fritz Erich Anhelm: «Sabine Christiansen macht mit ihrer Talkshow zwar Politik - aber wenig nachhaltig.»

Aus der Geschichte der Bundesrepublik sind die Evangelischen Akademien nicht wegzudenken. Gegründet wurden sie im Nachkriegsdeutschland als «Antwort von Christen auf die Zerstörung des Geistes, den Vertrauensbruch staatlicher Macht und den Völkermord durch die Nationalsozialisten». Im Westen Deutschlands galten sie bald als unverzichtbarer Teil und Impulsgeber politischer Kultur. In der ehemaligen DDR wurden sie zu einem der «wenigen Orte kritischer Diskussion und Reflexion». Auch die katholische Kirche unterhält bundesweit 26 Akademien.

Die Bildungseinrichtungen finanzieren ihre Arbeit aus kirchlichen und öffentlichen Mitteln sowie Spenden und Tagungsbeiträgen. Besonders der Einbruch der Kirchenfinanzen macht den Bildungsträgern zurzeit zu schaffen. Etwa in der rheinischen Landeskirche. Dort steht die Existenz der Akademie zwar nicht zur Debatte, doch der exklusive Standort Mülheim/Ruhr soll aufgegeben werden und die Akademie unter das Dach eines Kircheninstituts in Bonn-Bad Godesberg ziehen.

Dagegen zeigen sich die Akademien in Thüringen, Sachsen und Berlin entspannt. «Die heftigsten Einschnitte haben wir hinter uns», sagt der Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen, Thomas A. Seidel, in Neudietendorf. Die Thüringer Landeskirche hatte bereits 1999 ihren Anteil von bis dahin rund 800.000 Mark um die Hälfte reduziert. Pfiffigste Idee zur finanziellen Unterstützung ist ein Reisebüro, dessen Gewinn direkt in eine neu gegründete Stiftung fließen soll.

«Auf guter Grundlage» steht die Evangelische Akademie in Meißen nach Aussage ihre Geschäftsführers Michael Ahner. «Keine düsteren Wolken» für die Akademie im niedersächsischen Loccum sieht Reinhard Behnisch von der hannoverschen Landeskirche. Loccum zählt neben dem bayerischen Tutzing und dem württembergischen Bad Boll zu den prominentesten evangelischen Bildungseinrichtungen bundesweit. Als «Flaggschiff» gilt die Evangelische Akademie zu Berlin, wo die Evangelische Kirche in Deutschland zweite Gesellschafterin neben der von Finanzproblemen besonders gebeutelten berlin-brandenburgischen Kirche ist.

Anhelm als oberster Vertreter der Akademiearbeit in Deutschland und Akademie-Direktor in Loccum blickt optimistisch in die Zukunft. Auf die neuen Herausforderungen werde bereits mit fantasievollen Reformen reagiert. Unter anderem wollen die Akademien mit Ideen-Netzwerken und zeitlich befristeten Kooperationen auf aktuelle Themen wie Bioethik oder Generationengerechtigkeit noch schneller reagieren. Anhelm: «Die Landschaft der Akademien ist in Bewegung.»