«Haben Embryos ein Haltbarkeitsdatum?»

Die Kampagne «1000 Fragen» der Aktion Mensch geht zu Ende

Von Jutta Wagemann

Berlin (epd). 603 Abgeordnete des Bundestags und die Mitglieder des Nationalen Ethikrates werden im Herbst mit einem dicken Wälzer konfrontiert: mehr als 8.500 Fragen zu Genforschung und Bioethik. Es sind Fragen, wie die von R.T. aus Vaterstetten: «Wem gehört der Embryo, wenn er patentiert ist?» oder jene: «Haben Embryos ein Haltbarkeitsdatum?»

Der Behindertenverband «Aktion Mensch» hat seit Oktober Fragen gesammelt. Auf einem Gebiet, auf dem Wissenschaftler und Politiker händeringend nach Antworten suchen, hieß es bei der Aktion Mensch: «Wir brauchen Ihre Frage!» Jeder, der wollte, konnte im Internet unter der Adresse www.1000Fragen.de sein Anliegen zur Bioethik loswerden. «Die Resonanz war überwältigend», sagt Sprecherin Heike Zirden. Fragen, die bis zu diesem Freitag, null Uhr, ankommen, werden in das «Buch der 1000 Fragen» aufgenommen. Das Werk wird an alle Bundestagsabgeordneten und den Ethikrat verschickt.

Bevor verbindliche Antworten gegeben werden könnten, hätte der Verband wissen wollen: Haben wir die richtigen Fragen gestellt?, erläutert Zirden das Motiv für die Kampagne. Mit so großer Resonanz sei allerdings nicht zu rechnen gewesen, räumt sie ein. Zu den Fragen bildeten sich zudem rasch Kommentare. 56 Menschen gaben ihre Meinung zu der Frage ab: «Warum ist die Würde eines Embryos höher einzuschätzen als die Würde eines todkranken Menschen, der evtl. durch die Stammzellforschung gerettet werden kann?» Rund 35.000 Kommentare wurde insgesamt abgegeben.

Die Aktion Mensch habe zu Nachdenklichkeit bei diesen Themen anregen und eine breite öffentliche Debatte anstoßen wollen, berichtet Zirden. Das sei gelungen. Offensichtlich gebe es ein großes Bedürfnis, sich über ernste Themen auszutauschen. Zugleich sei ein deutliches Informationsdefizit deutlich geworden. Über Bioethik werde unter Fachleuten auf hohem Niveau diskutiert. Der Durchschnittsbürger fühle sich von diesen Debatten ausgeschlossen oder sie erreichten ihn gar nicht.

Zweimal am Tag filterten die Mitarbeiter von Aktion Mensch die eingegangenen Beiträge. Fragen mit rassistischem, sexistischem oder beleidigendem Inhalt wurden entfernt. Viele ernsthafte Fragen, die zum Teil aus individuellen Lebenslagen entstanden, blieben übrig. Der Wissensmangel führe aber auch dazu, dass überhöhte Heilserwartungen oder Horrorszenarien auf Grund der Genforschung zu finden seien, ist die Erfahrung von Zirden.

Vom 18. bis 24. September will die Aktion Mensch Berlin zur «Stadt der 1000 Fragen» machen. Nicht eine Telefongesellschaft oder ein Uhrenhersteller werden dann ihr Logo auf dem Brandenburger Tor platzieren. Statt dessen wird nachts vielleicht die Frage nach Unsterblichkeit am Wahrzeichen der Stadt aufleuchten.