Marburger Elisabethkirche wird in Texas nachgebaut

«Verrückt und schön» - Im texanischen Houston wird die Marburger Elisabethkirche nachgebaut

Von Stefanie Walter

Marburg (epd). Anfangs glaubte Achim Ludwig, Pfarrer der Marburger Elisabethkirche, an einen Witz. Vor drei Jahren sprach ihn nach einem Gottesdienst ein amerikanisches Ehepaar an. Jack und Lee Hunnell schauten sich auf einer Europareise gotische Kirchen an, die als Vorbild für einen Neubau in ihrer Gemeinde im texanischen Houston dienen sollten. Nach einer Führung durch den fast 800 Jahre alten Marburger Sakralbau stand fest: In Houston soll die Elisabethkirche nachgebaut werden.

«Die Gemeinde hatte 50 Millionen Dollar an Spenden für den Neubau gesammelt», erinnert sich Ludwig an das Gespräch mit den beiden Texanern. «Sie sagten: Wir brauchen zwar noch mal mehr als das Doppelte, doch mit Gottes Hilfe werden wir das schon schaffen.»

Die bisherige Kirche war der wohlhabenden St. Martin's Episcopal Church in Houston, der unter anderem George Bush Senior und der frühere US-Außenminister James Baker angehören, zu klein geworden. Weil die Kirche während der Sonntagsgottesdienste aus allen Nähten platzte, entschloss sich die konservative Gemeinde, «ein bisschen Europa» nach Texas zu holen.

Kaum hatte Pfarrer Ludwig den Hunnells den Grundriss der Elisabethkirche zugefaxt, legten die Amerikaner los. Im November vergangenen Jahres feierte die Gemeinde das Richtfest ihrer St. Martin's Church, nächstes Jahr an Ostern soll sie eingeweiht werden. «Das hat nichts mit Größenwahn zu tun», meint Ludwig. «Die hatten einfach das Bedürfnis nach einer schönen Kirche, und die Elisabethkirche gefiel ihnen besonders gut.»

Für Horst Schwebel, Direktor des Instituts für Kirchenbau der evangelischen Kirche in Marburg, ist das schlichte Kopieren einer Kirche allerdings ein «Armutszeugnis». «Man sollte eine neue Kirche aus dem gegenwärtigen Geist heraus gestalten», findet er. «Wenn Religiosität nur in den alten Formen tradiert wird, machen wir deutlich, dass wir mit der Gegenwart nichts anfangen können.»

Immerhin, so Schwebel, hätten sich die Amerikaner wenigstens «für ein gutes Objekt entschieden». Die Elisabethkirche wurde in der Rekordzeit von nur 48 Jahren (1235-1283) über dem Grab der Heiligen Elisabeth von Thüringen erbaut. Die Kirche im gotischen Baustil entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer der bedeutendsten Wallfahrtsstätten des Abendlandes.

Die amerikanische Version wird etwas kleiner ausfallen als das Marburger Original, das etwa 80 Meter lang ist. Äußerlich werden sich beide Kirchen jedoch stark ähneln. Die Hunnells berichten ihrem «Dear Friend Across the Sea» regelmäßig über die Baufortschritte. «Ich finde es verrückt und schön, dass die Elisabethkirche nachgebaut wird», sagt Pfarrer Ludwig. Manchmal wünsche er sich in Deutschland dieselbe «Lust auf Kirche» wie jenseits des Atlantiks.