Vor 125 Jahren wurde die Heilsarmee gegründet

Mit dem «Kriegsruf» für eine bessere Welt

Von Lothar Simmank

Frankfurt a.M. (epd). Es war ein Sieg mit Trompeten und Posaunen, den die Heilsarmee vor 125 Jahren im englischen Salisbury erstritt. Eine große Menschenmenge wollte durch Grölen von Schlagern eine Straßenversammlung der verhassten Soldaten Gottes stören. Doch die hatten vorgesorgt, griffen zu Blechinstrumenten, übertönten die Sänger und verschafften sich mit neuartiger religiöser Musik Gehör und Respekt. Blechbläser sind seitdem aus Heilsarmee-Gottesdiensten nicht mehr wegzudenken.

Wenige Wochen vor dem spektakulären Auftritt, am 13. August 1878, wurde die «Salvation Army» offiziell gegründet. Schon bald sah man bei Heilsarmee-«Feldzügen» in den Slums und Kneipen Ost-Londons blau-gelb-rote Fahnen mit dem Kreuz und der Aufschrift «Blut und Feuer».

Die militärisch straff organisierten Truppen des methodistischen Predigers William Booth (1829-1912) traten als christliche Bewegung offensiv den Kampf gegen das Böse in der Welt an. «Die Kirche muss zu den Leuten gehen», so das Credo des feurigen Evangelisten. Sein erklärtes Ziel war, «um jeden Preis die Bevölkerung der Londoner Elendsquartiere zu retten, die in einem Meer von Ausschweifungen, Trunksucht und Laster unterzugehen drohte».

Die Überzeugung der Gründer motiviert auch die rund drei Millionen «Salutisten», die es heute weltweit gibt: Nicht mit frommen Ermahnungen, sondern mit dem Ruf zur Bekehrung und mit tätiger Nächstenliebe gewinnt man Menschen für Gott. Die Bewegung ist in 109 Ländern tätig, in Deutschland - seit 1886 - gibt es 48 «Korps», wie die freikirchlichen Gemeinden genannt werden, und 44 soziale Einrichtungen, darunter viele Obdachlosenheime. Kern der Heilsarmee sind mehr als 25.000 ordinierte hauptamtliche Offiziere. An ihrer Spitze steht im internationalen Hauptquartier in London General John Larsson.

Bis heute ist das Echo zwiespältig, wenn die blau Uniformierten mit ihren Sammelbüchsen in Kneipen- und Bordellvierteln auftauchen. Die unkonventionelle Form der Verkündigung des Evangeliums sorgt vielfach für Spott und Hohn - die sozialen Leistungen, die den Ärmsten der Armen angeboten werden, machen andererseits die Heilsarmee in den Großstädten zur anerkannten Institution.

Dass friedliche Christen sich äußerlich militaristisch gebärden und eine Zeitschrift mit dem Titel «Kriegsruf» verteilen, löst auch bei den etablierten Kirchen noch immer Irritationen aus. Respekt allerdings ist den Heilsarmisten sicher, wo sie mit hohem persönlichen Einsatz für das Erfolgsprogramm «Suppe, Seife, Seelenheil» einstehen.

Emanzipiert zeigten sich von Anfang an die Frauen in der Heilsarmee. Catherine Booth, die theologisch gebildete Ehefrau des Gründers, vertrat schon 1859 einen revolutionären Standpunkt, als sie das Predigtrecht der Frau einforderte. Trotz eines ansonsten streng pietistischen Bibelverständnisses setzte sie nicht auf Unterordnung der Frau, sondern begründete in dem Buch «Female Ministry», warum auch Frauen Majorinnen werden können: Es komme weniger darauf an, wer etwas sagt, sondern vielmehr darauf, was jemand zu sagen habe.

Dass dieser Satz bis heute gültig ist, belegt ein Blick in die aktuelle Ausgabe des «Kriegsrufs», in der über den Einsatz der Heilsarmee in Papua Neuguinea berichtet wird. Eine energische Offizierin, die als ambulante Krankenschwester im Einsatz war, so heißt es dort, wurde wütend, als ihre Sprechstunde wegen aufflammender Stammeskämpfe unterbrochen wurde.

Sie marschierte in die Kampfzone und erklärte den Anführern der verfeindeten Volksstämme: «Donnerstags werden keine weiteren Kämpfe mehr stattfinden, das ist mein Kliniktag, ist das klar?» Erstaunlicherweise, so der Artikel, unterbrechen die verfeindeten Parteien seitdem jeden Donnerstag ihre Kämpfe und kommen in die Sprechstunde der Heilssoldatin, damit sie Wunden verbinden und medizinisch versorgen kann.