Rolls-Royce unter den Kirchenorgeln wird generalüberholt

Ganderkeseer Arp-Schnitger-Orgel soll Weihnachten wieder klingen

Von Jörg Nielsen (epd)

Ganderkesee/Kr. Oldenburg (epd). Pfeifen, wohin das Auge blickt: mal riesengroß und meterlang, mal winzig klein und nur einen Zentimeter kurz. Das scheinbare Chaos in der Werkstatt der Wilhelmshavener Orgelbauerfirma Führer ergibt, wieder richtig zusammengesetzt, einen «Rolls-Royce» unter den Musikinstrumenten, verspricht der Inhaber und preisgekrönte Orgelbaumeister Heiko Lorenz: die Arp-Schnitger-Orgel aus dem Jahre 1699 der evangelisch-lutherischen St.-Cyprian- und Cornelius-Kirche von Ganderkesee.

Doch erst zu Weihnachten werden die Pfeifen wieder wohlgeordnet zu sehen und zu hören sein. Bis dahin wird das Instrument von Grund auf restauriert. Weltweit gibt es nur noch 31 Orgeln des genialen norddeutschen Orgelbaumeisters des Barock, Arp Schnitger (1648 -1719). Die Restaurierung dieser Instrumente ist eine Wissenschaft für sich, sagt Lorenz. Schließlich soll die Orgel nach ihrer Kur wieder klingen wie zu ihrer Einweihung.

«Da muss man seine eigene Meinung schon mal zurückstellen und genau so bauen wie der Meister vor 300 Jahren», sagt Lorenz. Und mit einem Schmunzeln: «Auch wenn man nicht immer versteht, warum er etwas so gebaut hat.» Vieles aus dem alten Instrument ist im Laufe der Jahre verschwunden. «Verloren gegangen bei Reparaturen oder kaputt restauriert», vermutet Lorenz. Alle 30 bis 50 Jahre muss eine Orgel «generalüberholt werden», und das immer «nach bestem Wissen und Gewissen» der jeweiligen Zeitgenossen, sagt der Orgelexperte.

Doch dabei sei gut gemeint oft das Gegenteil von gut gemacht: Bei einer der «Überholungen» wurde der Gandekeseer Orgel beispielsweise ein eisernes Gerüst eingebaut. Dadurch wurde alles zu starr und hatte kein Spiel mehr. Doch weil die Temperaturen in den Kirchen mit den Jahreszeiten wechseln, muss das Holz der Orgel arbeiten können, sonst drohen Beschädigungen. Nach der Restaurierung wird es kein Eisengerüst mehr geben.

Obwohl jede einzelne Pfeife von Grund auf behandelt, vermessen und dokumentiert wird, soll am Ende keine «neue Orgel» entstehen: Nur was absolut nicht mehr zu retten ist, darf erneuert werden - natürlich in Handarbeit. Ersatzteile von der Stange gibt es nicht. Auch moderne Technik oder gar Elektronik haben in dem Instrument nichts zu suchen. Selbst der Wind soll wieder mechanisch mit Blasebälgen und nicht mit einer Windmaschine durch die zahllosen Kanäle und Pfeifen wehen.

Dass in dem kleinen Ort Ganderkesee eine so wertvolle Orgel steht, ist kein Zufall: Als die große Oldenburger Lambertikirche gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine neue Orgel brauchte, verhandelten der Graf von Oldenburg, die Kirche und der damals schon berühmte Schnitger aus dem benachbarten Brake. Ergebnis: Oldenburg erhielt ein «recht günstiges Instrument» und Schnitger das Monopol für alle Orgelneubauten und -reparaturen im Oldenburger Land.

Erst nach dem Ausbau der Orgel stellten die Restauratoren fest, dass auch das Holzgehäuse erneuert werden muss. Nun sucht die Kirchengemeinde nach alten Fotos, um das Gehäuse möglichst originalgetreu nachbauen zu können. Die Chancen auf alte Aufnahmen stehen nicht schlecht: Schon seit langer Zeit pilgern Orgelexperten nach Ganderkesee.