Kommission will Embryonenforschung mit EU-Geldern fördern

Bundesregierung strebt Kompromiss an - Kritik von Abgeordneten

Brüssel/Berlin (epd). Die umstrittene Forschung an embryonalen Stammzellen soll nach dem Willen der EU-Kommission unter Auflagen gefördert werden. Wie Forschungskommissar Philippe Busquin am Mittwoch in Brüssel erläuterte, sollen Forschungsvorhaben mit so genannten überzähligen Embryonen unterstützt werden, die bereits vor dem 27. Juni 2002 existierten. Bei der Bundesregierung, Politikern von Union und Grünen sowie bei den Kirchen stießen die Kommissionsempfehlungen, über die der EU-Ministerrat bis zum Jahresende entscheiden muss, auf Kritik.

Mit der Stichtagsregelung solle vermieden werden, dass eigens Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt würden, erläuterte Busquin. EU-Gelder solle es nur für Versuche geben, wenn keine Alternativen etwa in Form der Forschung mit adulten Stammzellen bestünden. Projekte der Forschung mit embryonalen Stammzellen müssten von den nationalen Behörden genehmigt werden. Zudem sehen die Kriterien der Kommission vor, dass nur eine Förderung möglich ist, wenn die bei künstlicher Befruchtung entstandenen überzähligen Embryonen nicht für eine Schwangerschaft genutzt werden.

Im Europäischen Ministerrat wolle die Bundesregierung einen Kompromiss erreichen, der der deutschen Rechtslage entspreche, sagte der Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Wolf Michael Catenhusen. Die Regelungen müssten die ethischen Grundüberzeugungen aller Mitgliedstaaten respektieren. Catenhusen zufolge will die Bundesregierung darauf drängen, dass nur Forschungsarbeiten aus Mitteln der EU finanziert werden, die auf bestehende Stammzelllinien beschränkt sind.

In Deutschland ist Forschung nur mit importierten embryonalen Stammzellen erlaubt, wenn diese bereits vor dem 1. Januar 2002 bestanden. Wissenschaftler erhoffen sich davon die Gewinnung von Ersatzgewebe für die Bekämpfung von Krankheiten.

Die Bundestagsabgeordneten Christa Nickels und Hans-Josef Fell (beide Grüne) bezeichneten die Kommissionsempfehlungen als Zumutung. Es sei nicht hinzunehmen, dass Deutschland als einer der Hauptzahler in der Europäischen Union Forschungsprojekte fördern solle, die in Deutschland verboten sind.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Böhmer, sprach von einem Skandal. Die Stichtagsregelung sei nicht akzeptabel und führe in die Irre. Zigtausende Embryonen seien vor dem 27. Juni 2002 produziert worden. Sie würden alle für die Tötung zu Forschungszwecken freigegeben. Böhmer wies darauf hin, dass für die Grundlagenforschung eine ausreichende Zahl an embryonalen Stammzelllinien zur Verfügung stehe.

Dem menschlichen Embryo komme von Anfang an Menschenwürde und Lebensrecht zu, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christof Vetter. Eine Verwendung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken sei aus Sicht der EKD ethisch nicht zu rechtfertigen.

Dagegen kritisierte die FDP die EU-Pläne als zu einschränkend. Durch die Stichtagsregelung werde der Abstand der europäischen Forschungsmöglichkeiten zu den USA, Indien und Israel noch größer, sagte die Vorsitzende des Bundestagsforschungsausschusses, Ulrike Flach (FDP).

Im sechsten EU-Forschungsrahmenprogramm, das am 27. Juni vergangenen Jahres verabschiedet wurde und bis 2006 läuft, sind für Forschungsvorhaben im Bereich Biotechnologe mehr als zwei Milliarden Euro vorgesehen. Bis Ende 2003 besteht ein EU-weites Moratorium für die Förderung der Embryonenforschung mit Geldern aus Brüssel. Über die Kommissionsvorlage muss der EU-Ministerrat bis Jahresende entscheiden. Das Europäische Parlament muss ebenfalls Stellung nehmen. (07280/9.7.2003)