Rau: Gedenken an 17. Juni war lange von Ideologie geprägt

Berlin (epd). Bei einer gemeinsamen Gedenkstunde von Bundestag und Bundesrat hat Bundespräsident Johannes Rau den 17. Juni 1953 als einen der großen Tage deutscher Freiheitsgeschichte gewürdigt. Es
habe lange Zeit an einer gerechten Erinnerung an den Aufstand gefehlt, bedauerte Rau. Als Grund nannte er ideologische Kontroversen in der alten Bundesrepublik, die das Gedenken an den 17. Juni belastet hätten.

Der 17. Juni als Tag der deutschen Einheit habe andere Ziele des Aufstandes überlagert, so der Bundespräsident. Dies habe die Erinnerung kompliziert und das Vergessen befördert. Vielen Menschen
in der alten Bundesrepublik sei der 17. Juni «irgendwie lästig geworden», sagte Rau.

Erst nach dem Fall der Mauer sei der 17. Juni als Aufstand eines ganzen Volkes und landesweite Erhebung für Freiheit, Demokratie und Einheit wiederentdeckt worden, so das Staatsoberhaupt. Frauen und Männer in der DDR hätten in nur vier Jahrzehnten zwei große Freiheitsbewegungen in Gang gesetzt, bilanzierte der Bundespräsident: «Das ist ohne Beispiel in der deutschen Geschichte.»

Rau erinnerte an die Opfer des Aufstandes, der mit Protesten von Ost-Berliner Bauarbeitern gegen drastische Lohnsenkungen begonnen und die gesamte DDR erfasst hatte. Mehr als hundert Menschen seien bei der Niederschlagung des Aufstandes durch sowjetisches Militär umgekommen, 13.000 verhaftet und über 1.500 zu teilweise langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Allein in Berlin seien 20.000 Soldaten und 600 Panzer im Einsatz gewesen, in der gesamten DDR 16 Divisionen.

Bis heute würdigten nur wenige Orte und Städte die Aufständischen - etwa mit Straßennamen: «Das sollte sich ändern», forderte Rau. Zum 50. Jahrestag sei an den 17. Juni überall in Deutschland umfassend und angemessen erinnert worden. Das Erbe dieses Tage müsse wach gehalten werden, betonte der Bundespräsident, die Aufständischen sollten den Bundesbürgern ein «dauerndes Vorbild» sein. (06494/17.6.2003)