Bischof: Rolle der Kirchen beim DDR-Volksaufstand nicht überschätzen

Berlin (epd). Der Magdeburger evangelische Bischof Axel Noack hat davor gewarnt, die Rolle der Kirchen beim Volksaufstand in der DDR vor 50 Jahren zu überschätzen. Es habe entgegen bisheriger Darstellung in den Kirchen damals viel «innere Ängstlichkeit» gegeben und kaum eine Äußerung zu den Forderungen der Menschen, die am 16. und 17. Juni 1953 auf die Straße gegangen seien, sagte er am Donnerstagabend in Berlin. Darum sei die kirchliche Rolle von damals auch nicht mit der Bedeutung vergleichbar, die die Kirchen bei der friedlichen Revolution im Herbst 1989 hatten.

Die Vorgänge in den Tagen des Volksaufstandes seien mittlerweile sehr ausführlich dokumentiert. Dabei komme die Kirche allerdings so gut wie nicht vor, äußerte Noack in einer Veranstaltung, zu der die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eingeladen hatte. Das verweise auch auf die fehlenden Beziehungen der Kirche zur Arbeiterschaft und ihrer Situation in den DDR-Betrieben.

Angesichts der vielfältigen Behinderungen kirchlicher Arbeit und der Verfolgung junger Christen seien die Kirchen zudem vorrangig auf die eigenen Probleme konzentriert gewesen, so Noack. Durch das Vorgehen der SED seien große Teile des Bürgertums, aber auch viele junge Menschen aus dem Land getrieben worden. Dadurch seien die Zahlen der Kirchenmitglieder, aber speziell auch der Jungen Gemeinden in drastischer Weise geschrumpft.

Wie der frühere sächsische Oberlandeskirchenrat Dietrich Mendt sagte, stehe das «Schweigen der Kirche gegenüber den Ereignissen des 17. Juni» mit ihrem angestrebten Erhalt der Volkskirche in Verbindung. Den ostdeutschen Kirchen sei es Anfang der 50er Jahre vor allem um «Bestandserhaltung» und «Überwintern» gegangen.

Viele hätten geglaubt, dass das SED-Regime keinen dauerhaften Bestand habe und es darum vor allem darum gehe, dass die Zeit bis zu der erhofften Wiedervereinigung überstanden werden müsse, sagte Mendt. Erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre hätte es erste Überlegungen gegeben, wie der missionarische Auftrag der Kirche unter den Bedingungen der atheistisch geprägten DDR-Gesellschaft wahrgenommen werden müsse.

Zum Volksaufstand selbst sagte Mendt, es habe damals viele Menschen, Christen wie Nichtchristen, gegeben, die aufbegehrt und ihre Angst überwunden hätten. Sie hätten damit ein Zeichen der Gerechtigkeit und der Freiheit gesetzt und «eine Saat in den Boden gebracht, die im Oktober 1989 aufgegangen ist».