Kongo: Der tödliche Zirkel von Gewalt und Rache

Der Kongo-Krieg forderte in den vergangenen fünf Jahren bis zu drei Millionen Opfer

Von Michael Ruffert (epd)

Frankfurt a.M. (epd). In Ostkongo tobt die Gewalt seit Jahren. Milizen, Rebellen und Armeen lieferten sich immer wieder heftige Kämpfe. In der Ituri-Provinz kamen seit Ausbruch des neuen Kongo-Krieges 1998 rund 50.000 Menschen ums Leben, etwa eine halbe Million wurden vertrieben - fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit.

Bei Massakern zwischen rivalisierenden Milizen der verfeindeten Ethnien der Hema und Lendu starben seit Anfang Mai erneut einige Hundert Menschen, für die Region keine hohe Opferzahl. Doch die internationale Gemeinschaft sieht nicht mehr weg, sondern will mit einer Eingreiftruppe von 1.400 Mann unter Führung der Franzosen die Welle der Gewalt beenden.

Dafür, dass die Welt nun nach Kongo blickt, hat der Afrika-Experte Winrich Kühne eine Erklärung. «Das Interesse am Irak hat nachgelassen.» Plötzlich schenkten die Medien dem Kongo-Krieg Aufmerksamkeit, dem nach Schätzungen rund drei Millionen Menschen durch Kämpfe, Hunger und Krankheiten zum Opfer fielen.

Aufgeschreckt hat die internationale Gemeinschaft aber auch das Wort vom «Völkermord». Das grausame Abschlachten von Männern, Frauen und Kindern in Ituri mit Messern und Macheten erinnert an den Genozid von Ruanda, wo 1994 in rund 100 Tagen bis zu eine Million Tutsi von radikalen Hutu ermordet wurden. Die UN ignorierten damals eindeutige Warnungen - und zogen ihre Truppen sogar ab, als das Töten begann.

Die jüngsten Gewaltexzesse in Kongo geschahen erneut unter den Augen von UN-Blauhelmen. Rund 700 Soldaten vor allem aus Uruguay mussten ohne ein Mandat zum Eingreifen und schlecht ausgerüstet zusehen, wie sich bei Kämpfen um die Stadt Bunia Milizen der Hema und Lendu gegenseitig massakrierten. Zahllose Zivilisten wurden bestialisch getötet, es gibt Berichte über Kannibalismus.

Die Hema und Lendu sind zwei von sechs Volksgruppen in der Ituri-Provinz. Sie streiten seit Jahrhunderten um Landrechte. Die viehzüchtenden Hema bilden dabei gegenüber den Bauern der Lendu die Minderheit. Aber wie viele der einmal rund 2,4 Millionen Einwohner noch in Ituri leben, ist nach den Vertreibungen und Morden unklar.

Der Konflikt wird oft mit Ruanda vergleichen, wo sich die Hutu-Bauern und die Tutsi-Viehzüchter gegenüber stehen. Tatsächlich mischen Ruanda und auch Uganda bei den Kämpfen in der an Gold, Diamanten und dem Mineral Coltan reichen Region kräftig mit.

Zu Beginn des Krieges 1998 marschierten Truppen der Nachbarländer nach Ostkongo ein. Wechselseitig rüsteten sie Rebellen und Milizen auf. Uganda unterstützte zunächst die Hema, die sich aber Ruanda zuwandten, weil sie sich den Tutsi näher fühlten. Uganda ist seitdem Verbündeter der Lendu. Die Rohstoffinteressen heizten den Konflikt massiv an. In Ituri wird neuerdings auch Öl vermutet.

Nach dem Abzug der ugandischen Truppen vor einigen Wochen entstand in der Region ein «Machtvakuum», das die neuen Kämpfe auslöste. Marcus Sack, Projektleiter der Welthungerhilfe, spricht von einem «Zirkel von Gewalt und Rache» zwischen den Hema und Lendu.

Dabei kämpfen vor allem zwangsrekrutierte Kindersoldaten. Oft sind die Jugendlichen kaum größer als die Kalaschnikow, die sie tragen. Vollgepumpt mit Alkohol und anderen Drogen sind die jungen Kämpfer völlig unberechenbar.

Doch eine robuste Eingreiftruppe wird nach Ansicht Kühnes in der Lage sein, das Morden zunächst zu beenden. Um einen stabilen Frieden in Kongo zu erreichen, sei allerdings ein langfristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft notwendig.