DDR: Sprengstoff gegen Dutzende Kirchen

In der DDR mussten Dutzende Kirchen dem sozialistischen Stadtbild weichen

Von Katharina Rögner (epd)

Leipzig (epd). Den 30. Mai 1968 werden die Leipziger so bald nicht vergessen. Zwei kurze, dumpfe Schläge - dann fällt die völlig intakte gotische Universitätskirche St. Pauli am damaligen Karl-Marx-Platz unter lautem Getöse in sich zusammen. Spätgotisches Gewölbe und Spitzgiebel der ehemaligen Klosterkirche sind plötzlich nur noch Erinnerung hinter riesigen Staubwolken.

728 Jahre Geschichte scheinen mit 700 Kilogramm Dynamit einfach ausgelöscht - auf Geheiß von Staats- und Parteichef Walter Ulbricht und mit mehrheitlicher Zustimmung des Leipziger Stadtrates, der sich den Forderungen nach sozialistischer Umgestaltung des zentralen Platzes mehr oder weniger bereitwillig unterordnete.

Doch die Stadt Leipzig, die in diesen Tagen an die Sprengung vor 35 Jahren erinnert, ist nicht das einzige Opfer der SED-Städteplanung. Auch in Dresden, Berlin, Magdeburg, Rostock oder Potsdam mussten alte Kirchen den Plänen der neuen Herren weichen.

Der Potsdamer Architekt Christian Wendland geht davon aus, dass es in nahezu allen DDR-Bezirksstädten Beispiele für die Beseitigung kirchlicher Bausubstanz gab. Die Folge seien nicht nur «riesige Kulturverluste». Mit dem rigorosen Vorgehen der DDR-Behörden sei auch der städtebauliche Charakter der Orte verloren gegangen, betont Wendland, der sich als Sohn eines kirchlichen Baurates seit Jahren mit der Geschichte der ostdeutschen Kirchengebäude befasst.

Nicht alle Kirchengebäude, die den SED-Plänen zum Opfer fielen, seien ähnlich intakt gewesen wie die Leipziger Paulinerkirche oder die Potsdamer Garnisonkirche, die sich bei ihrer Sprengung 1968 gerade im Wiederaufbau befand. Eine ganze Reihe kirchlicher Bauwerke, die vor allem in den 60er Jahren dem Erdboden gleich gemacht wurden, waren von mehr oder minder schweren Kriegsschäden gezeichnet.

Doch mit ihrer Beseitigung wurde den wertvollen Baudenkmälern wie der Dresdner Sophienkirche, der Katharinenkirche in Magdeburg oder der Rostocker Jakobikirche zugleich die Chance für einen Wiederaufbau genommen. Und die SED glaubte sich mit jeder abgerissenen Kirche der Vollendung des Sozialismus einen Schritt näher.  Auch der Ostteil Berlins blieb von solcherart Kulturkampf nicht verschont. So musste bei der Neugestaltung des Alexanderplatzes und dem Bau des Fernsehturmes nicht nur manches kirchliche Gebäude neben der Marienkirche weichen, sondern auch die Georgenkirche am östlichen Ende des Platzes. An sie erinnert heute nur noch eine Straße, die an der ehemaligen Kirche vorbei führte.

Wie in Leipzig, wo sich schon wenige Wochen nach der Sprengung der Paulinerkirche Studenten beim Internationalen Bachwettbewerb mit einem Plakat öffentlich für den Wiederaufbau einsetzten, ist auch in anderen Städten der Wunsch nie verhallt, die zerstörten Bauwerke zurück zu erhalten. Die lebhafte Auseinandersetzung um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ist dafür nur ein Beispiel.

An anderen Orten wie dem Dresdner Postplatz, wo vor 40 Jahren die Ruine der um 1250 erbauten Sophienkirche abgerissen wurde, soll die Erinnerung an erlittenes Unrecht zumindest mit der Errichtung einer Gedenkstätte wach gehalten werden.

Ein anderes Beispiel ist die Berliner Versöhnungskirche, die sich ein Vierteljahrhundert auf dem so genannten Todesstreifen befand und für ihre Gemeinde seit dem Mauerbau nicht mehr zugänglich war. Sie fiel im Januar 1985 dem Ausbau der Grenzsicherungsanlagen zum Opfer. Auf dem Grundstück, auf dem einst die Versöhnungskirche stand, erinnert heute eine Kapelle an die Zerstörung des Bauwerkes.