Kirchentag: Berlin 2003 soll Geschichte schreiben

Am Mittwoch beginnt der erste bundesweite Ökumenische Kirchentag

Über 190.000 Besucher erwartet

Von Roland Kauffmann (epd)

Berlin (epd). Der erste bundesweite Ökumenische Kirchentag wird am Mittwochabend in Berlin mit einem zentralen Gottesdienst am Brandenburger Tor eröffnet. Zu dem Treffen unter dem Leitwort «Ihr sollt ein Segen sein» haben sich mehr als 190.000 Dauerteilnehmer angemeldet. Bis zum Schlussgottesdienst am Sonntag vor dem Reichstag finden auf dem Messegelände und in der Stadt über 3.200 Veranstaltungen statt. Der Berliner Kirchentag ist damit das größte ökumenische Treffen in der Geschichte der Bundesrepublik.

Im Eröffnungsgottesdienst predigen der katholische Kirchentagspräsident Hans Joachim Meyer und seine evangelische Kollegin Elisabeth Raiser. Die gemeinsame Liturgie wird von den Bischöfen der gastgebenden Berliner Kirchen, Kardinal Georg Sterzinsky und Wolfgang Huber, gestaltet. Beim anschließenden «Abend der Begegnung» wollen eine halbe Million Menschen Unter den Linden die Eröffnung mit Musik, Theater und einer Light-Show feiern.

Veranstalter des Ökumenischen Kirchentages sind das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Deutsche Evangelische Kirchentag. Das Programm ist in vier Themenbereiche gegliedert, die sich mit dem Glauben, der kirchlichen Einheit, der Menschenwürde und der Weltverantwortung der Christen beschäftigen. Neben Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Show-Business suchen auch Vertreter des Judentums und des Islam den Dialog.  Mit Bundespräsident Johannes Rau, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundeskanzler Gerhard Schröder beteiligen sich die höchsten Repräsentanten des Staates am Kirchentag. Prominentester nichtchristlicher Teilnehmer ist der Dalai Lama. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter spricht am Freitagnachmittag auf der Waldbühne.

Berlin 2003 soll in der Begegnung der Konfessionen Geschichte schreiben. ZdK-Präsident Meyer und Raiser versprechen sich einen Schub für das kirchliche Leben. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, wünscht den Teilnehmern Anregungen für ihre eigene Spiritualität: «Sie sollen aus Berlin gekräftigt in den Alltag zurückkehren.» Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hofft auf ein «unüberhörbares Signal» dafür, dass Christen sich gemeinsam den Problemen in der Gesellschaft stellen, etwa in der bioethischen Debatte oder dem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit.

Schwerpunkt werden voraussichtlich die großen sozialen Themen und der Streit um die «Agenda 2010» von Kanzler Schröder sein. Auf einer nachträglich aufgenommenen Veranstaltung am Freitag geht es aber auch darum, welche Rechtsordnung die Welt nach dem Irak-Krieg braucht.

Eine von vielen Christen gewünschte gemeinsame Abendmahlsfeier gibt es im Kirchentagsprogramm nicht, weil nach katholischer Lehre anders als im Protestantismus das Abendmahl nur durch geweihte Priester gespendet werden darf. Dies hatte zu einem offenen Streit mit katholischen Basisgruppen geführt, die sich mit dem Verbot nicht abfinden wollen. Die Kirchentagspräsidenten appellierten schließlich an katholische und evangelische Christen, «in ökumenischer Sensibilität miteinander umzugehen».

Trotz des vom Papst jüngst bekräftigten Verbots bieten am Rande des Kirchentags die katholische Organisation «Wir sind Kirche», die Initiative «Kirche von unten» und die Evangelische Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord am Donnerstagabend einen ökumenischen Gottesdienst nach katholischem Ritus und «offener Kommunion» an. Am Samstag gibt es einen ökumenischen Gottesdienst mit «Abendmahl für alle» nach evangelischer Tradition. Beide Gottesdienste finden in der Gethsemane-Kirche im Osten Berlins statt.

Der Andrang der Medien ist gewaltig. Viele stellen sich die Frage, wer wohl der katholische Priester sein wird, der es wagt, offen dem Verdikt aus Rom zu trotzen - und welche Strafe ihn dann erwartet.