EKD-Ratsvorsitzender Kock drängt zu mutigen Sozialreformen
Leipzig (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, hat zu mutigeren Sozialreformen aufgefordert. «Wir müssen einen erneuerten Zustand des Sozialstaats erreichen», sagte Kock am Freitag in seinem Bericht vor der EKD-Synode in Leipzig. Es wäre «unverantwortlich», die Reformen in der Renten- und Gesundheitspolitik sowie des Arbeitsmarkts hinauszuschieben.
Das Land leide derzeit an «den Selbstblockaden der Akteure», sagte Kock. Es herrsche eine «ausgeprägte Mentalität der Besitzstandswahrung» in der bundesdeutschen Gesellschaft. Um den Sozialstaat im Kern zu erhalten, müssten jedoch alle Einschnitte hinnehmen, betonte der EKD- Ratsvorsitzende. Mit «generellen Widerstandsaktionen» komme «der große Wurf» nie zustande.
Finanzielle Einschränkungen dürfen dabei nach Kocks Worten nicht nur sozialen Randgruppen zugemutet werden. Erforderlich sei auch die verstärkte Bekämpfung von Steuerflucht und -hinterziehung, unterstrich Kock vor den 120 Mitgliedern des Kirchenparlaments. Er trat zudem dafür ein, in der Rentenversicherung die Lasten nicht allein den Jüngeren aufzuladen, sondern den «demografischen Faktor» bei der Rentenformel möglichst schnell wirksam werden zu lassen.
Mit Blick auf den Irak-Krieg bekräftigte Kock die friedensethische Position der Kirche, die sich eindringlich gegen einen Angriffskrieg zur Entmachtung des Diktators Saddam Hussein ausgesprochen hatte. Die ethischen Bedenken gegen den Krieg seien weiter gültig, auch wenn dieser vermutlich weniger Tote gefordert habe als befürchtet, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Die Anwendung von Krieg und Gewalt könne «kein verheißungsvoller Weg sein, mit den verbleibenden zahlreichen Diktaturen in dieser Welt fertig zu werden».
Die Androhung und Ausübung von Gewalt zur Verteidigung von Recht und Frieden müsse sich an den Rahmen des Völkerrechts halten, mahnte Kock. «Krieg kann und darf nicht zu einem normalen Instrument nationaler Außenpolitik werden», so der frühere rheinische Präses. Zudem müssten das Völkerrecht weiterentwickelt und zwischenstaatliche Institutionen gestärkt werden, damit die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates durchgesetzt werden könnten. Dazu gehöre auch die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs.
Wenige Tage vor Beginn des ersten Ökumenischen Kirchentags in Berlin sprach sich Kock zudem für «Gelassenheit» im Verhältnis zur katholischen Kirche aus. Bei aller Enttäuschung über die andauernde Trennung in der Abendmahlsfrage sei es doch «von besonderer Bedeutung», dass die Unterschiede benannt seien und an ihrer Klärung ernsthaft gearbeitet werden solle. Der ökumenischen Dialog, der im Respekt vor der Glaubensüberzeugung des Anderen geführt werden müsse, verdiene in diesem Punkt «große Anstrengungen».
Kock beklagte, dass die Vertrautheit der Menschen mit der Bibel weitgehend verloren gegangen sei. Eine Umfrage unter Kirchenmitgliedern habe ergeben, dass das Bibellesen als Kennzeichen für das «Evangelisch-Sein» in den Hintergrund getreten sei. Dieses Ergebnis sei bedrohlich für das Profil der evangelischen Kirche. «Eine evangelische Kirche ohne die Bibel wäre wie ein Wald ohne Bäume, wie ein Vogel ohne Federn, oder wie ein Computer ohne Speicher», sagte Kock. Die Kirchen haben 2003 als Jahr der Bibel ausgerufen.
Die Synode der EKD, die 26,6 Millionen Protestanten repräsentiert, tagt noch bis Sonntag in Leipzig.