Telefonseelsorge: Klingelstreiche mit dem Handy

Die Telefonseelsorge leidet unter Scherzanrufen

Von Birgit-Sara Fabianek (epd)

Aachen (epd). «Guten Tag, ist dort die Telefonseelsorge?», piepst die zwölfjährige Claudia mit verstellter Stimme in den Hörer. «Ich bin 18 Jahre alt und schwanger. Was soll ich machen?» Ihre drei Freundinnen, die sich mit ihr in die Telefonzelle gequetscht haben, halten sich die Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten. Kichernd legen sie auf und rennen um die Ecke. «Wir machen das aus Spaß», sagt die 11-jährige Julia, die zwei Seiten ihres Schulheftes mit gebührenfreien 0800er-Telefonnummern vollgekritzelt hat, «das ist wie Klingelmännchen spielen.»

Um Jugendliche vor derartigem Missbrauch zu warnen, hat die Telefonseelsorge am Donnerstag in Aachen eine bundesweite Kampagne unter dem Motto «Du stehst auf der Leitung» gestartet. Postkarten, Handymotive, Computerspiele und ein Radiospot sollen aufklären.

«Wir wollen klar machen, dass Jugendliche durch ihre Scherzanrufe ein Hilfsangebot blockieren, von dem sie selber profitieren. Gleichzeitig wollen wir sie durch Computerspiele zum Herunterladen davon ablenken, aus Langeweile bei uns anzurufen», nennt Traugott Weber, Geschäftsführer der evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge, die Ziele der Kampagne.

Über Scherzanrufe wie die von Claudia regt sich die Leiterin der Telefonseelsorge Düren mittlerweile kaum noch auf. «Die sind für unsere Mitarbeiter zwar störend, blockieren die Leitung aber nur kurz», sagt Christa Matenaar. Weniger harmlos sei es, wenn jugendliche Cliquen aus Langeweile den Nachmittag oder Abend damit verbringen, reihum auf ihren Handys die kostenlose Nummer anzurufen und Obszönitäten in den Hörer zu brüllen oder dramatisch klingende Geschichten zu erzählen.

«Solche Anrufe dauern manchmal zwei bis drei Stunden», sagt Matenaar. In dieser Zeit ist die Leitung für dringende Hilferufe blockiert. Wie den eines 16-Jährigen, der Matenaar während der Nachtschicht anrief. «Der hatte sieben Stunden lang versucht, uns zu erreichen», sagt sie, «der war ganz verzweifelt, weil seine 13-jährige Freundin von ihm schwanger war und die beiden nicht weiterwussten.»

Im vergangenen Jahr ist die Telefonseelsorge 700.000 Mal von Menschen unter 20 Jahren angewählt worden. 400.000 Anrufe davon waren Scherzanrufe. Eine Modewelle, vermutet Traugott Weber. «Seit etwa zwei Jahren bekommen immer mehr Kinder zum Geburtstag oder zu Weihnachten ein Handy geschenkt. Ein tolles Spielzeug, bis die Guthabenkarte leer ist. Dann wählen sie die gebührenfreien Nummern, um weiter mit ihrem Handy zu spielen», erklärt sich Weber das Phänomen.

Die Telefonseelsorge hat 1997 die erste Freecall-Nummer von der Regulierungsbehörde bekommen. «Damals hat niemand etwas von dem Handy-Boom geahnt», sagt Matenaar. Die Häufung der Scherzanrufe hat die Telefonseelsorge in eine Krise gestürzt. Einige ehrenamtliche Mitarbeiter haben aus Frust bereits das Handtuch geworfen. «Manche Anrufer wissen gar nicht, dass wir eine Notrufeinrichtung sind und keine Leitung zum Quatschen», stellt Matenaar fest.

Das Problem kennen alle Anbieter von Freecall-Nummern. Die meisten könnten jedoch die Anrufernummern auf ihrem Display identifizieren und darauf aufmerksam machen. «Das hält die meisten von einem zweiten Anruf ab», sagt Matenaar. Die Telefonseelsorge hat dagegen aus Datenschutzgründen eine Rufnummernunterdrückung.

Eine gewisse Entlastung haben Anrufbeantworter gebracht, die in einigen der 105 bundesweiten Telefonseelsorge-Stellen laufen. Dort bekommen Anrufer zunächst eine Bandansage zu hören, bevor sie mit einem Mitarbeiter verbunden werden. «Diejenigen, die einen Kick suchen, sind meist zu ungeduldig, um eine Minute lang in der Leitung zu warten», hofft Traugott Weber.

Hinweis: Die Telefonseelsorge ist ein Beratungsangebot der evangelischen und katholischen Kirche. Informationen zur Kampagne «Du stehst auf der Leitung» finden sich im Internet unter www.telefonseelsorge.de