Eine Kirche als Wahrzeichen im Blumenmeer

Internationale Gartenschau: Die Kirchen präsentieren sich in “größtem lebendem Bauwerk”

2,5 Millionen Besucher werden zur “grünen Weltausstellung am Meer” erwartet, die am 25. April von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Hansestadt Rostock eröffnet wird. Die Internationale Gartenbau-Ausstellung (IGA) ist für Garten- und Blumenfreunde in diesem Jahr ein “Muss”. Die Ostseestadt wurde auch als Kandidatenstadt für die Segelolympiade 2012 vom deutschen Olympia-Komitee gekürt. Warum steht das alles in idea? Weil sich die Kirchen auf der bis zum 12. Oktober dauernden IGA intensiv engagieren.

Benjamin Lassiwe

Ein Ökumenischer Gottesdienst gehört zu den ersten Veranstaltungen der Internationalen Gartenbau-Ausstellung (IGA) in Rostock. Denn im “Meer der Gartenträume”, wie es in einem Werbeslogan heißt, sind auch die Kirchen stark vertreten. Direkt an einem der Haupteingänge liegt ihre “Insel” -  der Weidendom, eine ganz aus Kopfweiden errichtete Kirche. Als beschlossen war, dass die IGA 2003 nach Rostock kommen würde, überlegten einige Christen der Ostseemetropole am Küchentisch, wie sich die Kirchen auf der Gartenschau präsentieren könnten, erinnert sich Christian Thiede, der Geschäftsführer des Kirchenpavillons. Irgendwann kamen sie auf die Idee, einen “lebenden” Pavillon zu bauen – aus Ästen, die – in die Erde gesteckt – wieder austreiben sollten.

Kreuz auf der Kuppel

Das gelang ohne Probleme. “Kopfweiden sind einfach unverwüstlich”, sagt Christian Thiede. Es entstand das mit 52 Metern Länge und 15 Metern Höhe größte “lebende Bauwerk” der Welt. Bei den Rostockern gewann die IGA-Kirche schnell Sympathien. “Der Weidendom war das erste Projekt, was überhaupt auf dem Gelände zu sehen war”, erinnert sich Thiede. Als im Frühjahr 2001 rund 650 Freiwillige aus 13 Nationen anfingen, das von den evangelischen Kirchen Mecklenburgs, Pommerns und Nordelbiens sowie dem katholischen Erzbistum Hamburg getragene Gotteshaus zu bauen, “war da sonst nur Dreck und Schlamm.” Von der IGA war noch nichts zu sehen, als die Presse schon über den fertiggestellten Weidendom berichtete. Die Menschen, die beim Baucamp mitgemacht hatten, erzählten ihren Nachbarn davon. “Seitdem ist der Weidendom eine Art Wahrzeichen der IGA”, so Thiede. Beim Bau achteten die Organisatoren auch auf eine klare architektonische Sprache: Der Weidendom hat ein Langhaus und vier Kuppeln, und auf der größten Kuppel ist ein Kreuz. “Auf anderen Gartenschauen präsentierten sich die Kirchen in Zelten - wir haben eine Kirche, die der Besucher auch erkennen kann”, sagt Thiede.

Pro Tag zehntausend Besucher

Denn das Ziel des insgesamt 600.000 Euro teuren Projektes ist es, den Rostockern und ihren Besuchern die Kirchen ins Gedächtnis zurückzubringen. In der Hansestadt stellen die Kirchenmitglieder heute weniger als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Aus diesem Grund soll auch jeder, der die IGA-Kirche während der Gartenschau betritt, von einem der rund zwanzig permanent anwesenden Ehrenamtlichen persönlich begrüßt werden. “Die Helfer stehen am Eingang und verteilen ein Foto vom Weidendom mit einem Bibelspruch auf der Rückseite”, erklärt Christian Thiede. So komme es zu einem ersten Kontakt, und die Besucher wüssten, an wen sie sich mit einer Frage wenden können. “Noch intensiver können wir kaum auf die Menschen zugehen.” Denn die Veranstalter der IGA erwarten rund 2,5 Millionen Besucher - pro Tag wären dies mehr als zehntausend Menschen im Weidendom.

Drei Andachten täglich

Bis zum Ende der Gartenschau am 12. Oktober soll der Tagesablauf in der IGA-Kirche einem strengen Rhythmus folgen. Dreimal täglich – um 10, 12 und 17 Uhr – sind Andachten geplant. Zu den übrigen vollen Stunden soll es einen Moment der Stille geben: Ein Mitarbeiter des Weidendoms tritt an ein Mikrophon, und bittet die Besucher, dort zu bleiben, wo sie gerade stehen. Dann liest er einen Bibelvers und spricht ein kurzes Gebet. Predigten oder evangelistische Ansprachen gibt es bei diesen Andachten nicht. Damit solle auf “die Zeitnot der Besucher Rücksicht genommen werden”, sagt Carsten Thiede. “Denn wer für 14 Euro eine IGA-Tageskarte kauft, will natürlich soviel wie möglich von dem 100 Hektar großen Gelände sehen.” Bei einer Predigt würden viele Besucher aufstehen und gehen, auch Mitsingen würden wohl die wenigsten. “Eine gute Kurzandacht kann genauso wirkungsvoll sein, und bei einem Moment der Stille können auch kirchenferne Menschen spüren, dass sie an einem Ort sind, wo etwas Besonderes geschieht.” Um möglichst viele IGA-Besucher zu den Andachten zu rufen, wird auch eine Glocke auf dem Gartenschaugelände läuten. Ihr Klang könnte manchem Besucher bekannt vorkommen: Denn der kleine Glockenturm am Weidendom stand schon auf der Bundesgartenschau in Potsdam 2001 neben dem damaligen “Ökumenischen Brückenzelt”.

Evangelische Allianz mit dabei

Insgesamt soll es während der 171 Tage dauernden IGA rund 250 Veranstaltungen im Weidendom geben. An jedem Sonntag ist um 11 Uhr Gottesdienst, der abwechselnd von verschiedenen Gemeinden Norddeutschlands gestaltet wird. Auch die Evangelische Allianz Rostock unterstützt das Engagement der Kirchen auf der IGA: Ihr Vorsitzender, Pastor Michael Putzke, war als Delegierter der Evangelisch-methodistischen Kirche in der örtlichen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Mitglied verschiedener Planungsgruppen, die über die geistlichen Angebote auf der Gartenschau berieten. “Die Beteiligung am Weidendom ist eine große Chance für alle Gemeinden Rostocks, in der Öffentlichkeit präsent zu sein”, sagt Putzke. “Diese Chance wollen wir auch als Evangelische Allianz nutzen.” Am 31. August etwa wird es einen Allianztag auf dem Gartenschaugelände geben. Vormittags wollen die Gemeinden der Allianz einen Gottesdienst zum Thema “Farbe kommt in dein Leben” im Weidendom gestalten. Am Nachmittag soll es auf der Wiese vor der IGA-Kirche ein buntes Kinderprogramm  geben, an dem sich Putzke zufolge auch der Evangeliums-Rundfunk (ERF) beteiligt. “Normalerweise zögern viele Menschen vor dem Betreten eines Gotteshauses. Beim Weidendom hoffen wir auf das Umgekehrte: Die Menschen sehen das ungewöhnliche Bauwerk, sind neugierig und fühlen sich angezogen.”

Der Kirchentag lässt grüßen ...

Daneben gibt es während der Gartenschau ein buntes kirchliches Programm: Freitags präsentieren sich Entwicklungshilfeprojekte der beteiligten Kirchen dem IGA-Publikum. Samstags können Kinder in einem Erzählzelt biblische Geschichten kennen lernen. Im Rahmen einer “Offene Kanzel” genannten Predigtreihe sollen prominente Christen während der IGA-Gottesdienste das Wort ergreifen -  etwa der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, oder Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (beide SPD). Aber auch eher bizarre Angebote gehören zum Programm: An jedem Mittwoch wird zu ”meditativem Tanz unter der Weidendomkuppel” eingeladen, und am 25. Juli veranstaltet Mädir Eugster eine “BalancePerformance” unter dem Titel “Der Mensch braucht immer eine Stütze, der Mensch ist nie einsam” in der IGA-Kirche. Der Kirchentag lässt grüßen ... (idea)