Kock: Einschnitte im Sozialstaat nötig für Gesellschaftsveränderung

EKD-Ratsvorsitzender unterstützt im Grundsatz Schröders Reformkurs

Düsseldorf (epd). Der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock hat seine grundsätzliche Unterstützung für die geplanten Sozialreformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bekräftigt. Die Gesellschaft müsse begreifen, dass sich nur etwas verändere, wenn es insgesamt Einschränkungen gebe, sagte Kock am Mittwoch in Düsseldorf in einem epd-Gespräch. Allerdings müssten diejenigen stärker belastet werden, «die das leisten können». Damit verteidigte Kock seine Haltung zu sozialen Einschnitten gegen kircheninterne Kritik.

«Jeder vernünftige Mensch sagt, es muss etwas geschehen», betonte der rheinische Präses und höchste Vertreter der deutschen Protestanten. Schon das gemeinsame Sozialwort der evangelischen und katholischen Kirche habe 1997 gewarnt: «Wer notwendige Reformen aufschiebt oder versäumt, steuert über kurz oder lang in eine existenzbedrohende Krise». Wenn eine Regierung angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt Vorschläge erarbeite, sei das «im Prinzip schon einmal gut, unabhängig davon, wie die Vorschläge aussehen».

Konkret forderte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine generelle Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse. Private Kassen sollten sich auf Zusatzleistungen wie Zahnersatz oder Risiken wie Sport beschränken. Derzeit sei das Solidarsystem durchbrochen, weil nur Menschen unterhalb eines bestimmten Lohnniveaus ihren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung leisteten. Wer mehr verdiene, könne sich «aus der Solidargemeinschaft verabschieden, indem er sich privat versichert», beklagte der Präses.

Er sprach sich für mehr Gerechtigkeit im Steuersystem aus. Jede Einschränkung einer Subvention werde «begleitet mit dem Geschrei: Jetzt werden die Steuern erhöht». Steuererleichterungen müssten an die Bereitschaft gebunden werden, Einkünfte wieder zu investieren: «Ich halte es für verfehlt, steuerliche Entlastung für Vermögen zu gewähren, die man beiseite schafft», sagte Kock. Eine Amnestie für Steuerflüchtlinge lehnt der Theologe ab. Dies sei vielleicht pragmatisch, «aber gerecht ist es nicht».

Skeptisch äußerte sich Kock zu der Frage, ob die von der Regierung geplanten Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung ausreichen, um die Arbeitslosenzahl spürbar zu senken. Dies sei nicht allein durch zusätzlichen Druck auf Arbeitslose möglich. «Es muss aber erreicht werden, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden.»

Eine kürzere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere kann nach Ansicht Kocks sinnvoll sein, wenn dadurch verhindert wird, dass Firmen ihren Arbeitsplatz-Abbau auf Kosten der Sozialversicherung finanzierten. Die eingesparten Gelder müssten eingesetzt werden, um beispielsweise «den 45-jährigen Langzeitarbeitslosen in Halle an der Saale» wieder in Arbeit zu bringen. Die zahlreichen Frühverrentungen in den 80er und 90er Jahren «waren sicherlich unvermeidlich, aber ihre Finanzierung aus der Versicherung war nicht korrekt», kritisierte Kock. Damit habe die Allgemeinheit den Anpassungsprozess der Industrie finanziert.

Mit seinem Plädoyer für Kürzungen im Sozialsystem hat Kock innerhalb der evangelischen Kirche Widerspruch ausgelöst. Nach Interview-Äußerungen des EKD-Ratsvorsitzenden Ende März waren im EKD-Kirchenamt zahlreiche Protestschreiben eingegangen, einige Kirchenmitglieder hatten sogar mit dem Austritt gedroht. Kritisch hatte sich auch der EKD-Arbeitslosenbeauftragte Johannes Roscher geäußert, der die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen für ungerecht hält.